Fast zwei Jahre bin ich nicht mehr für diesen Blog gereist, wie kann ich besser wieder starten als mit einem Wochenendtrip, bei dem wohl jedem das Herz aufgeben muss. Willkommen auf Norderney – in einem Hotel der Extraklasse, das weit mehr als nur Unterkunft und Essen bietet, einem Ort, der Familie und Wohlfühlen bedeutet. Mit ganz viel Inselliebe.
Endlich wieder Meerluft, endlich wieder dieses vertraute Rauschen, das Kreischen der Möwen, der weite Himmel und das silberne Glitzern auf dem Wasser. Ich komme mit leichter Verspätung an, die Bahn wollte nicht so wie ich. Die letzte Fähre nach Norderney um 18:25 Uhr ab Norddeich-Mole hätte ich gerade so bekommen, aber sie benötigt 50 Minuten für die Überfahrt – und mein Willkommensdinner soll um 19 Uhr beginnen. Also nehme ich den Inselexpress, ein Schnellboot, das nur 15 Minuten bis zum Hafen Norderney braucht. Der Kapitän scherzt mit norddeutschem Akzent. Die acht Gäste lachen sich scheckig. Ein guter Start.
„Willkommen im Inselloft“ strahlt mich die Frau am Empfang an und gibt mir meinen Zimmer-Schlüssel mit einem schönen Anhänger. Später erfahre ich, dass eine Mitarbeiterin ihn selbst gemacht hat und man ihn im Design-Shop nebenan kaufen kann. Mit Liebe hausgemacht ist hier vieles, aber das lerne ich noch. Schnell bringe ich meinen Koffer auf mein Zimmer und jaule nach Luft schnappend auf, weil es so hübsch ist.
Edle Materialien, viel Holz, Leinen und designte Details, dabei alles sehr klar und warm – und zudem habe ich einen Blick aufs Meer. Besser geht es nicht. Mein Zimmer im Inselloft hat eine kleine Kitchenette, in der ich mir morgens einen Kaffee und abends einen Tee machen kann und werde. Die bodentiefen Fenster bringen das Licht des Meerhimmels hinein, ich werde zwischendurch auf dem gemütlichen Sofa sitzen können und vielleicht etwas lesen. Das Badezimmer ist ein wahrer Traum. Samt großer Wanne und großer offener Dusche. Für das Zimmer im Inselloft werde ich noch genügend Zeit haben, nun muss ich mich sputen. Ich ziehe mich um und renne dann kurz um die Ecke zum Restaurant und Café Marienhöhe, einem hübschen Pavillon mit großer Terrasse über dem Meer. Die Marienhöhe gehört auch zum Hotelkomplex. Beziehungsweise zu den Betrieben der Brüder Marc und Jens Brune.
Jens Brune begrüßt mich am Tisch, die anderen Mitreisenden sind schon da, ich nehme an einer Pressereise teil, der ersten nach ewigen Zeiten. Wir lernen uns alle kennen, stoßen auf die nächsten Tage an und essen hervorragende friesische Tapas, die so zahlreich und sättigend sind, dass wir nur noch ein kleines Süppchen schaffen. Wie alles hier erzählt selbst die Suppe eine Geschichte, und das ist auch der Grund, warum wir hier sind, denn es gibt ein Jubiläum zu feiern.
1922, also vor 100 Jahren, gründeten die Großeltern von Marc und Jens Brune nebenan ihren ersten Gastbetrieb. Der Krieg beendete die Inselliebe, die Eltern der beiden heutigen Gastronomen aber entfachten sie danach wieder neu. Marc und Jens kamen auf die Welt, wuchsen in Bremen und auf Norderney auf, verließen das Elternhaus zum Studieren und eroberten die Welt. Alsbald kamen sie mit viel Wissen, Geschmack und Durchsetzungsvermögen auf die Idee, ihren eigenen Platz auf der Insel zu schaffen – und zwar ohne die Hilfe der Eltern.
So entstanden über die Jahre die Hotelbetriebe Inselloft und das Relais & Châteaux Hotel Seesteg, erst vor Kurzem kam ein weiteres Hotel, das Haus Norderney dazu. Zudem restaurierten die Brüder die Milchbar und bauten sie zu dem Hotspot auf der Insel um. Statt Hummer wie auf einer anderen berühmten Insel im Norden gibt es hier Milchreis. Der Laden ist immer voll.
Auch das Badehaus, das bei der Ankunft der beiden Brüder eher eine Ruine war, wurde von ihnen neugestaltet und zu dem gemacht, was es heute ist: Ein hochwertiges Thalasso-Bad, mehrfach ausgezeichnet und ein Publikumsmagnet. Auch das Conversationshaus nebenan erstrahlt dank der Brune-Brüder in neuem Licht. Heute befinden sich in dem hochmodernen Haus die Touristeninformation und eine wunderschöne Bibliothek, in der sich auch Besucher der Insel Schmöker für den Strandkorb ausleihen können.
Zum Familienunternehmen auf der Insel gehört auch das „Haus am Meer“, das schon von den Eltern der beiden Brüder betrieben wurde. Eine sehr geschäftstüchtige Familie, dabei aber so bescheiden, dass man nicht erahnen kann, wieviel Arbeit und Schweiß hinter den Kulissen anfallen. Die Amerikaner würden die Brüder „soft spoken“ nennen, sie sind leise, herzlich, verlässlich und sehr aufmerksam. Sie hören zu, merken sich, was jeder zu sagen hat. Und gehen darauf ein. Sehr hanseatisch, aber mit echter Herzenswärme. Diese Charaktereigenschaften sind sicherlich auch für den guten Geschmack verantwortlich.
Der Inselloft Komplex mit eigener Bäckerei, dem Wohnzimmer für Gäste, dem Spa, dem Wein-Laden und dem Designshop sprechen Bände. Alles ist aufmerksam kuratiert, mit viel Bedacht und genauem Auge ausgewählt, platziert. Nordisch by nature. Die Blumen, die hier stehen, sind wie ein Augenzwinkern an die Geschichte des Hauses, da die Oma von Marc und Jens dafür bekannt war, morgen um 5 Uhr auf dem Bremer Blumenmarkt einen schönen Strauß zu kaufen. Sie brachte ihn dann mit der ersten Fähre nach Norderney und stellte ihn auf den Tresen der Rezeption. Eine abgrenzende Rezeption wie anno dazumal gibt es heute nicht mehr – jeder Gast wird auf Augenhöhe und zwanglos an Schreibtischen oder stehend empfangen. Das finde ich sehr schön.
Viel Gutes tun Marc und Jens aber nicht nur für die Gäste, sondern auch für ihre eigenen Mitarbeiter. Sie fördern deren Talente, befördern sie kräftig und wollen, dass sie über sich hinauswachsen. So wurde einer jungen Mitarbeiterin vom Empfang die Chance gegeben, ein kleines Hotel, das neu ins Portfolio gekommen ist, zu führen. Beachtlich, wieviel Vertrauen und Motivation einem jungen Talent gegeben wird. Aber auch nur konsequent. Hotellerie und Gastronomie suchen händeringend Mitarbeiter, weise sind die Manager, die ihr Team zu halten wissen.
Aber zurück zur Marienhöhe. Die Sonne gibt jetzt so richtig an, als wolle sie mir nach der Zeit meiner Abwesenheit von exotischen Reisezielen zeigen, was sie auch hier im Norden von Deutschland kann. Sie taucht den Himmel in spektakuläre Farben, lässt die Wolken wie gemalt aussehen und versinkt dann im silbernen Meer. Seufz. Selbst ich, ein großer Fan der Nordsee bei Sturm, grauem Himmel und Regen, bin hin und weg. Südseefeeling im Norden ist eine feine Sache.
Die nächsten Tage werden ereignisreich. Wir erkunden die Insel mit den Rädern, die man sich im Inselloft ausleihen kann, fahren Richtung Leuchtturm und schließlich zum Hotspot dahinter: der Weißen Düne. Es sei voll wie immer, hören wir, denn Besitzer Matthias hat aus dem ehemalig lieblosen Ausflugsschuppen dank Marc und Jens einen wirklich hübschen und sehr einladenden Designtempel gemacht. Was abseits und auf den Tellern zu sehen ist, ist eine Wohltat, selbst für meine kulinarisch verwöhnten Augen. Wir bekommen Picknick-Pakete in die Hände gedrückt und verziehen uns in die Stille hinterm Haus, auf Matthias‘ Privatbesitz. Jeder Bissen schmeckt. Der alkoholfreie „Schampus“ aus gebratener Birne ist delikat. Wie gut es uns geht.
Da wir gerade dabei sind: Kulinarisch geht es in den Häusern von Marc und Jens Brune hoch her. Da gibt es zum einen das Esszimmer, dass zum Komplex des Insellofts gehört. An langen Tischen nimmt man hier sein Frühstück ein, das auf der großzügigen Kochinsel in der Küche steht.
Abends wird genau hier wie in einer Küche zu Hause wie vor Freunden gekocht. Sehr gemütlich und für Kochbegeisterte wie mich ein echter Traum. Dann gibt es neben dem Restaurantbetrieb in der schönen Marienhöhe, das Restaurant des Relais & Châteaux Hotel Seesteg, dass seinen Michelin-Stern seit Jahren verteidigt. Chefkoch Markus Kebschull serviert moderne Klassiker, vornehmlich mit regionalen Produkten.
Vom Gastraum blickt man von der einen Seite auf die Terrasse zum Meer, von der anderen Seite sieht man den Köchinnen und Köchen bei der Arbeit zu. Ruhig und konzentriert steht das Team an seinen Posten, jeder Handgriff sitzt. Das Interieur ist geschmackvoll wie alles aus der Hand der Brüder Brune, die Einrichtung ist gewollt warm und anheimelnd. Naturmaterialien, wie Kalksandstein, dicke Holzbohlen, warme Dielen bringen ein schönes Flair mit. Sofas stehen vor dem Kamin, daneben, ganz bescheiden, alte Brettspiele. Jeder soll sich wohlfühlen.
An den beiden Abenden, an denen wir hier essen, sitzen Marc und Jens in Chino Hosen am Tisch, ich trage Turnschuhe, T-Shirt und Co. Das stört niemanden. Der Service ist unglaublich aufmerksam und mit großer Hingabe freundlich. Und das Essen?
Jeder Gang eine Überraschung, handwerklich hervorragend umgesetzt, mit viel Spiel und Kreativität gekocht. Nicht abgehoben, sondern pointiert. Eine wahre Inspiration für mich und meine eigene Kochleidenschaft.
Am zweiten Tag erkunden wir noch mehr von der Insel, aber aus anderen Elementen. Wir teilen uns in noch kleinere Gruppen auf. Ich bin mit Regine Schneider, die einladende PR-Expertin und Inhaberin ihrer eigenen Agentur „Die Schneiderei“ und zudem meine langjährige Freundin, sowie Miriam Kalima, Digital Creator, Publisher und Eigentümerin des Interior, Design, DIY und Lifestyle Blogs „mikaswohnsinn“, unterwegs. Miriam und ich freunden uns schnell an. Die Herzlichkeit und Nähe, die sich auf manch besonderen Gruppenreisen entwickelt, hatte ich sehr vermisst.
Am Hafen von Norderney lernen wir Sid kennen. Der Schweizer mit Berliner Vater und holländischer Mutter hat seine ganz eigene Geschichte zu erzählen. Bevor er wegen der Liebe auf die Insel zog und die Segelschule Norderney kaufte, war er jahrelang Musik-Produzent. Passenderweise war er für die Neuauflage von Nenas Leuchtturm mit am Start. Letzteres erfahre ich aber erst nach der Reise während meiner Recherche. Auf dem Boot sah es so aus, als hätte der braun gebrannte Hüne nie etwas anderes gemacht, als freundlich Wende Kommandos zu rufen. Norderney ist, das wird auf jeden Fall schnell klar, auch vom Wasser aus eine wahre Schönheit. Und ich werde daran erinnert, wie gern ich eigentlich segeln gehe. Danke für den großen Spaß, Sid!
Am Nachmittag bringt uns ein anderer Freund des Hauses in die Luft. Luca hat seinen ATPL Schein gemacht, fliegt aber nun vor allem mit kleinen Maschinen durch die Gegend und hat zudem zwei weitere Posten. Zum einen ist er aktuell in der Ausbildung zum Kommissar, zum anderen hilft er bei den Brunes in der IT. Vor allem aber ist er ein unglaublich lustiger und freundlicher Zeitgenosse, mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen. Denn selbst Kollegin und Neu-Freundin Miriam, die gerade vor Kurzem erst ihre Flugangst einigermaßen unter Kontrolle bekommen hatte, lächelt schon eine Minute nach dem Start wie der glücklichste Mensch auf Erden oder besser in der Luft. Mit einer Piper knattern wir los, schauen uns nicht nur Norderney, sondern auch die anderen Nachbarinseln von oben an und landen nach 30 Minuten wieder wohl und glücklich auf dem niedlichen Flugplatz Norderney. Auch für dich immer Happy Landings, Luca!
Am Abreisetag geht es meinem Mitreisenden und mir wohl gleich: Wir wollen gar nicht weg. Die wohlige Blase, in der wir uns in den vergangenen Tagen wie in Watte bewegt haben, hat so gutgetan. So viele warme, weiche Momente und interessante Gespräche hat uns diese Reise beschert, von den Delikatessen, dem schönen Design und Traum-Wetter mal abgesehen. Man ist als Gast der Brunes in den allerbesten Händen. Hier gibt es eben alles, was das Herz begehrt, zumindest meins.
Auf diese Reise wurde ich wie schon oben geschrieben auf eine Pressereise eingeladen. Dafür möchte ich mich bei Marc und Jens Brune, ihrem gesamten Team und Regine Schneider und Team sehr herzlich bedanken.