Seit Wandern neuerdings Hiking heißt, ist es selbst bei Hipstern beliebt. Ich bin hingegen eigentlich kein Freund vom Wandern, vor allem nicht wenn es bergauf geht. In Osttirol bin ich trotzdem durch den Nationalpark Hohe Tauern marschiert, bergab und voller Abenteuerlust – und habe dabei trotz enigen Widrigkeiten mein Glück in den hohen Bergen gefunden.
Ich sitze morgens in der Gondel von Kals am Großglockner, die mich auf über 2400 Metern Höhe bringen wird. Es geht über glückliche Kühe auf grünen Wiesen hinweg, und unweigerlich bohrt sich mir ein Ohrwurm ins Hirn. Ich fange an zu summen:
„Ich sitz’ im Sessellift und freu’ mich schon.
Nur noch ein Stückchen bis zur Bergstation.
Dort gibt’s noch sehr viel zu erklimmen.“
Ahhh, wo kommt denn jetzt dieses olle Neue-Deutsche-Welle Lied von Fräulein Menke her? Falls die hier nicht jeder kennt: das war eine junge Dame, die mit illustren Songs namens „Ein Tretboot in Seenot“ und eben meinem jetzigen Ohrwurm „Hohe Berge” in den 80er Jahren beachtliche Erfolge feierte. Und es sich nun also in meinem Kopf bequem gemacht hat. Schönen Dank auch.
Wenn meine Eltern mit strahlenden Gesichtern „Und heute Nachmittag können wir ja wandern gehen“ verkündeten, habe ich als Kind mit den Augen gerollt und „öch nööö“ gemault. Das Schönste am Wandern war für mich, meinen kleinen blauen Rucksack mit den weißen Nähten voll mit Proviant zu packen. Irgendwann hat mein Opa dann herausgefunden, dass man mir das Wandern auch mit einem Stock, an den man kleine Wanderabzeichen nageln konnte, schmackhaft machen kann. Kennt das noch jemand?
Aber all das ist fast ein halbes Leben her. Meine Knie habe ich mir durch Kunstturnen und durch winterliches Motorradfahren ordentlich vermurkst, sie knartschen selbst beim Treppensteigen. Bergauf wandern kommt für mich daher nicht in Frage. Bei meinem letzten Versuch bin ich fast in Ohnmacht gefallen, nach 600 Höhenmetern, mit schmerzenden Knien. Schönen Dank auch.
Die Gondel erreicht den Gipfel. Die Adlerlounge ist Bergstation, Restaurant und Pension zugleich – mit den wohl allerbesten Ausblicken, die man überhaupt jemals haben kann. Das Restaurant ist modern und schön eingerichtet, die Hauptattraktion ist natürlich dieser Ausblick: atemberaubend, euphorisierend, kurzum ein Knaller. Mir wird ein extrem köstlicher Kaiserschmarren serviert. Ich rede mir ein, eine ordentliche Portion Kohlehydrate bringen meine alten Knochen auf Trapp, bevor ich mich auf die Wanderung durch den Nationalpark Hohe Tauern mache.
„Ich brauch’ den Auerhahn, die Gams’, das Reh,
Bergwelt- Idylle und ewigen Schnee,
Natur, ganz pur, ganz nah am Himmel.“
Nachdem ich etwa siebenhundert Fotos geschossen habe ziehe ich los. Ich bin wie so oft die einzige, die nicht die wirklich richtigen Klamotten anhat. Immerhin trage ich Wanderschuhe, aber weder Allwetterjacke noch sonstige „Hightec“ Kleidung. Ich hingegen trage Mantel, Jeans, Sweatshirt. Alle anderen wenigen Menschen, die ich hier oben treffen, sind zweckmäßiger gekleidet. Profis.
“Und so brech’ ich mir das Edelweiß, dann kauf ich mir ein Eis.”
Nach ein paar Minuten erreiche ich schon das erste Gasthaus, das Matreier Törlhaus, an dessen Terrasse sich die Wege zweigen. Ich will von hier aus über den unteren Panoramaweg weiter hinab ins Tal zum Bergrestaurant Glocknerblick.
Laut Ausschilderung (die übrigens ganz hervorragend ist) dauert das 1,5 bis 2 Stunden. Ich weiß schon jetzt, dass ich erheblich länger brauchen werde, da ich auch filmen will. Das dauert eben seine Zeit.
“Oh-oh, hohe Berge, La Montanara für das Objektiv
Oh-oh, hohe Berge, denk’ ich an Trenker, werde ich aktiv.”
Die hochalpinen Panoramen bringen mich um den Verstand. Oder ich habe eine besonders reizvolle Form der Höhenkrankheit. Auf jeden Fall aber stehe ich oft einfach nur da und glotze – lächelnd und stupide vor mich hin summend. Ins Tal, auf die mit Schnee bedeckten Bergketten, auf die Tannen die im leichten Wind tanzen. Der Himmel ist so blau, dass er später auf meinen Bildern aussieht, als hätte ihn ein Foto-Praktikant richtig mies eingefärbt. Es ist schlimm schön hier in Osttirol.
Nach 45 Minuten will ich eine kleine Rast machen. Eine Bank steht direkt an der Schlucht zum Tal. Ich schwitze und mir laufen ein paar Schweißperlen durchs dicke Haar den Nacken runter. Ich schaue mich um und es nähern sich gerade tatsächlich und ausnahmsweise mal zwei andere Wanderer.
“Oh-oh, Gipfelstürmer in Trachtenjacke und mit Wanderstab.
Oh-oh, wo ist Heidi, die hier der Lieblingsgeiß ein Küsschen gab.”
Plötzlich bemerkte ich etwas hinten an meinem Hals krabbeln und automatisch bewegt sich meine Hand an die Stelle und macht eine Wischbewebung.
Und in einem Bruchteil einer Sekunde klingeln tausend Alarmglocken in meinem Körper. „AUA“ brülle ich so laut und unkontrolliert durchs Tal, dass es hallt und das Wanderpärchen in Sichtweite zusammenzucken lässt. Eine Wespe hat mir in den Finger gestochen. Natürlich ist es der Mittelfinger. Schönen Dank auch.
Immerhin ahne ich, dass ich nicht hochallergisch bin, denn das wäre hier oben wahrlich schlecht, aber ich weiß: meine Hand wird aufgehen wie ein Hefeteig vor einem warmen Kachelofen. Immerhin gibt es noch ein paar Schneehaufen hier oben, die werden mir zum Kühlen helfen bis ich wieder im Hotel bin.
Nach über zwei Stunden komme ich beim Bergrestaurant Glocknerblick an. Mit großen Augen schaut mir die Wirtin Andrea Rogl auf die Hand und versorgt mich erst mal mit einer aufgeschnittenen Zwiebel, Globoli und einer kleinen Jause. Ihr Mann kippt mir recht großzügig einen Kräuter-Schnapps ins Glas. “Hilft immer” sagt er. Wo er recht hat…
Glocknerblick ist wirklich der passende Name für das urige Wirtshaus, man glotzt tatsächlich direkt auf den höchsten Berg Österreichs.
“Dann auf der Hütten isst man Hirsch-Ragout.
Bergvagabunden geben niemals Ruh’.
Den nächsten Gipfel zwingt man morgen.”
Nach einer ausgedehnten Pause dehnt sich auch meine Hand immer weiter aus, ich will lieber schnell ins Tal und zur nächsten Apotheke – also mache ich mich auf den Weg.
Steil wird es hier, das hatte man mir schon im Gradonna gesagt und den Weg genau erklärt. Und man hatte mich etwas verdutzt angeschaut, weil ich keine Nordic Walking Stöcke dabei hatte. Und natürlich habe ich nordischer Doofkopp gesagt: „Ach, so was brauche ich nicht.“ Daran denke ich als ich mit die kleinen, engen und extrem steilen Waldwege hinab kämpfe. Vielleicht ist das schon klettern? Keine Ahnung, ich bin so ein furchtbarer Amateur!
Irgendwann schaffe ich es zum Hotel, setzte mich ins Auto und düse zur nächsten Apotheke, in der man mich nach einem großen “Huch!”, vielen guten Wünschen, einer Notfalltelefonnummer und Antihistaminika versorgt.
“Jetzt noch den Stempel in den Wanderpass.
Ja, das macht Freude, ja, das macht mir Spaß,
und so vergess’ ich alle Sorgen.”
Damit ausgerüstet geht es noch ein letztes Mal für heute auf die Alm. Aber mit Auto und auf den Berg gegenüber meines Hotels. Von der MoaAlm wurde ich zum Abendessen eingeladen – obwohl man dort als Nichtgast eigentlich nur tagsüber ins Café gehen kann. Denn das kleine Bed & Breakfast mit sechs Zimmern kann eigentlich eben nur die eigenen Hausgäste versorgen.
Ich treffe auf Polly und Craig die hier oben in traumhafter Abgeschiedenheit leben und sich mit zwei Kolleginnen rührend um die maximal 12 Gäste kümmern. Morgens gibt es Yoga und Frühstück, am Nachmittag kann man wandern gehen – abends eben wird gemeinsam gegessen. Ein Traum!
Das alles in moderner, ja hipper Atmosphäre mit einer Unmenge an Charme. Polly und Craig kommen aus Großbritannien und tragen ein goldenes Gastgeberherz in sich. Das Essen ist köstlich, der Wein an dem ich nur nippen kann auch. Spätestens am Lagerfeuer unterm Sternenhimmel fühle ich mich so heimisch, dass ich fast meine geschwollene Hand vergesse. Ich bin froh auf der MoaAlm Gleichgesinnte gefunden zu haben, der perfekte Abschluss für den perfekten Tag. Trotz Wespe.
Im Auto auf dem Weg nach unten ins Tal wird mir klar: ich werde noch einmal wiederkommen MÜSSEN, am besten für eine ganze Woche. Weil es hier so schön ist in Osttirol. Und gerne auch außerhalb der Wespensaison.
“Und ich kauf noch schnell ein Bergkristall
und steig’ hinab ins Tal.
Oh-oh, hohe Berge…”
Auf meine Reise wurde ich von Österreich Werbung eingeladen, meine Meinung über die schönen hohen Berge bleibt davon wie immer unberührt. Mehr über das schöne Osttirol gibt es hier und bei Fräulein, nein nicht Menke, sondern Smaracuja, die Osttirol im Winter besucht hat und schwer entzückt war.
Die Bergwelt bleibt immer wie eine ewige Idylle! Für mich auch im Sommer.Danke für die Idee zu Nationalpark! Die Meinen können dort was Interessantes bestimmt finden. Eine Wanderung an der frischen Luft soll dann endlich den Appetit bei dem Jüngsten erwecken, ich kann dann endlich die Ruheabende im Hotel genießen.