Es gibt wohl eine Insel, die so sagenumwoben und voller Tragödien ist, dass ein jeder sie kennt. Vielleicht weiß man nicht genau wo sie sich befindet, aber man hat schon einmal von ihr gehört. Kap Hoorn liegt vor uns.
Kap Hoorn zum Greifen nah
Hier mischen sich die Ozeane, und für uns ist es der letzte Fleck von Chile den wir sehen, bevor es durch die Drake Passage geht. Die Insel ist zum Greifen nah. Nur ein paar hundert Meter trennen uns von ihren Felsen. Die windige Luft riecht nach Geschichte, nach Piraten, nach Abenteurern. In den Untiefen unter uns liegen hunderte Wracks. Ich hatte kein besonders gutes Verhältnis zu meinem Opa mütterlicherseits, aber wenn er wüsste, dass seine Enkelin eventuell gleich an Kap Hoorn landet, würde er sicherlich staunen.
Alle stehen an Deck und schauen fragend, der Wind zieht merklich auf. Unruhiges Gemurmel kommt unter den Passagieren auf, als man regelrecht sehen kann, wie der Wind die Wellen immer höher aufpeitscht. Die Gischt fliegt waagerecht über die Wasserkante.
Es ist wie im Krimi. Innerhalb weniger Minuten hat das Wetter so kräftig umgeschlagen, dass wir nicht mal den Lotsen zurück auf sein eigenes Boot bringen können ohne sein Leben zu gefährden. Das wird heute nichts mehr mit Kap Hoorn und uns. Also dreht die MS Midnatsol und fährt zurück in ruhigere Gewässer. Aber wir werden nicht aufgeben. Auf dem Rückweg von der Antarktis werden wir es erneut versuchen – und es wird uns gelingen!
Abenteuer Drake Passage
Jetzt allerdings geht erst das richtige Abenteuer los: die Überquerung der Drake Passage, sie ist die gefährlichste Wasserstraße der Welt. Die Wellen haben unser Schiff mittlerweile ordentlich im Griff. Ohne zumindest auszusehen wie ein Volltrunkener kommt man nicht mehr über die Gänge. Vorne schlägt das Schiff ein paar Mal gewaltig auf – dumm nur, dass meine Kabine direkt unter der Brücke liegt. Also vorne.
Die Meeresstraße verbindet den Atlantischen mit dem Pazifischen Ozean – 815 Kilometer ist sie lang. Haushohe Wellen soll es hier bei Zeiten geben, ein manches Schiff ist hier schon in Seenot geraten. Vor ihr und ihrem Einfluss auf die Mägen der Passagiere haben hier alle Respekt, selbst die Crew. Es heißt, am besten begegne man der Seekrankheit mit einem vollem Magen, ich beherzige den Rat natürlich gern. Einige meiner Mitreisenden nehmen Globuli, Nina hat sich ein Pflaster hinters Ohr geklebt. Ich habe normale Tabletten dabei, und nehme eine – für den Fall der Fälle. Sie macht mich allerdings schläfrig und ich muss mich für eine Stunde hinlegen.
Es rumst & kracht, willkommen in der Drake Passage
Es heißt gegen Mitternacht würden wir in die Drake Passage einfahren. Beim Abendessen sitzen eindeutig weniger Passagiere an den Tischen, viele scheint die Seekrankheit eingeholt zu haben. Es ist zehn Uhr, ich gehe auf meine Kabine. Das Schiff schaukelt immer noch kräftig, aber ich bekomme die Augen zu.
Mitten in der Nacht werde ich plötzlich wach, das Schiff kracht unter mir und ächzt, es schlägt gefühlt mit voller Wucht auf eine hohe Welle. Ich mache Licht an, sehe dass sich die Gardine gut 30 Zentimeter vom Fenster hebt und langsam wieder zurückfällt, so sehr schwanken wir. Es ist 3 Uhr morgens, die Drake Passage heißt uns willkommen. Schönen Dank auch. Irgendwann finde ich zum Glück meinen Schlaf wieder.
Am nächsten Morgen ist auch unsere kleine Blogger-Crew um ein paar Kollegen und Kolleginnen reduziert. Draußen kann man die Wellen beim tanzen zusehen, aber so schlimm sei es nicht, versichern uns alle. Nur 6 bis 7 Meter hoch seien die Wellen gewesen. Ich komme fortan ohne Tabletten aus. Zurückblickend denke ich, falls ich noch einmal eine Reise in die Antarktis antreten soll, können die Wellen ruhig 20 Meter hoch sein. Denn all das ist egal im Austausch gegen die Schönheit der Antarktis – die jede Strapaze zur Nichtigkeit macht. Die Drake Passage ist wie ein kleiner Teufel, aber auf den Deal lasse ich mich gern wieder ein.
Auf dieses Abenteuer wurde ich von Hurtigruten eingeladen. Und hey, Leute: Jederzeit wieder. Ich bin ja anscheinend seefest! 😉