„Hallo Angelika, wie geht es dir?“ begrüßt mich eine junge Frau auf Deutsch. Mitten in Austin. Sie heißt Julia, kommt aus Fredricksburg in Texas und will mich für einen Tag genau dort hinbringen und mir ihre Heimat zeigen. Natürlich bin ich perplex, dass sie gut Deutsch spricht, ahne aber schon woran das liegen könnte. Fredericksburg ist eine kleine deutsche Enklave mitten in Texas. Gegründet wurde sie 1846 – und wurde nach Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig von Preußen benannt. Ältere Einwohner haben ihr daher liebevoll den Kosenamen Fritztown genannt. In Fritztown werde ich heute einige Szenen für mein Condor Video drehen.
Etwa 1,5 Stunden fahren wir von Austin durch die texanische Landschaft, die ich mir ehrlich gesagt ganz anders vorgestellt hatte. Weniger grün, weniger hügelig. Es ist schön hier. Je mehr wir uns Fredericksburg nähern, um so Deutscher klingen die Namen auf den Schildern an der Straße.
Und schon bald sehe ich noch Bekanntes: Weinreben säumen die Wege. Auch das ist eine Überraschung – wer hätte gedacht, dass in Texas Wein angebaut wird? Ich zumindest nicht! Zwei Weingütern, Grape Creek Vineyards und Becker Vineyards, statten wir daher einen ganz kurzen Besuch ab. Viel kann und will ich nicht probieren, da ich heute noch fleißig an meinem Video für Condor drehen muss. Und bei den 37 Grad draußen macht sich dabei Alkohol im Blut gar nicht so gut. Die wenigen Tropfen aber schmecken mir, und die Weingüter sind hübsch anzuschauen.
Kurz vor den Toren der Stadt halten wir bei Magnolia Pearl, dem wahr gewordenen Traum aller Shabby Chic Liebhaber. Wobei die Betonung auf Chic liegen sollte. Denn edler kann man sich wohl nicht in diesem Kleidungsstil einkleiden.
Wir fahren weiter. Julia, deren Vater aus Hamburg kommt, erzählt mir im perfekten Deutsch noch mehr aus ihrer Heimatstadt. Knapp 10.000 Menschen leben hier, Tendenz steigend. Der Wirtschaft geht es gut, die Stadt ist beliebt und wird immer beliebter. In wenigen Minuten werde ich sehen warum. Wir erreichen Fredericksburg. Ich war zwar schon in etlichen Kleinstädten in den USA, aber Fredericksburg ist die schönste, die ich je gesehen habe. Die für die USA typische Mainstreet, die Hauptschlagader der Stadt, ist von alten und herausgeputzten Häusern gesäumt, ich sehe keinen Leerstand.
Wir klappern einige Geschäfte ab. Im Kuchen Laden dürfte sich meine Bloggerfreundin Jeanny von Zucker, Zimt und Liebe wie im Paradies fühlen. In einem kleinen ehemaligen Krankenhaus hat sich der Laden angesiedelt, es gibt hier alles, was das Koch- und Backherz begehrt.
Schräg gegenüber gibt es flüssiges Brot: die Fredericksburg Brewing Company ist mächtig stolz auf die deutsche Brautradition – und serviert herrlich frische Biere. Ich nippe wenigstens einmal kurz an jeder Sorte, verschenke dann den Rest an einen durstigen Texaner neben mir an der Theke. Er revangiert sich mit einem amerikanisch klingenden „Dankee scheuin“.
Wenige Minuten später sitzen Julia und ich gegenüber bei Vaudeville, einer Art Conceptstore mit großem Verkaufsraum im Erdgeschoss und Foodie-Mekka und Bistro im Untergeschoss. Kein Scherz – dieser Laden könnte auch genau so in Berlin-Mitte stehen. Ich bin positiv entsetzt. Normalerweise esse ich keine Burrata außerhalb von Italien, die Delikatesse schmeckt einfach nirgends so gut wie im Mutterland. Julia aber schwört, dass sie hier ein Traum ist und wir bestellen. Und sie hat Recht. Mein Schock sitzt tief, wie machen die das? Lecker! Wir schwelgen im guten Essen und sind schon viel zu spät für unsere weiteren Verabredungen.
Eine kurze Stippvisite gilt noch einem wirklich sehr undeutschen Laden: bei Easterling an der Mainstreet gibt es hausgemachte Cowboy-Boots. Für mich deutlich eine Nummer zu kostspielig, aber wer auf handgefertigte Stiefel steht und so einen Luxus bezahlen, der wird hier fündig werden. Immerhin dürften die Boots ein Leben lang halten.
Nach einem weiteren Delikatessen-Abstecher im schönen Das Peachhaus (ja, lustige Deutsch-Englisch Kombination) in dem es allerlei Saucen und Eingelegtes gibt, steht mir ein wahrer und für mich sehr typische Reise- und Foodblogger Marathon bevor.
Julia bringt mich zunächst ins Cabernet Grill, einem entzückenden Restaurant, dass verdient einige Auszeichnungen eingeheimst hat. Mir werden fünf Gerichte vom Chefkoch serviert – allesamt sind sie eine Wucht. Hier kann man übrigens auch wunderschöne Cottages auf dem Anwesen mieten. Haite ich noch ein paar Tage mehr Zeit gehabt, dann wäre dies wohl meine bevorzugte Unterkunft in Fredericksburg gewesen.
Aber unser nächster Stopp ruft. Die Herb Farm ist ähnlich aufgebaut: eine Mischung aus Hotel und Restaurant. Auch hier gibt es keinen typischen Hotelbetrieb mit langen Fluren, sondern einzelne bunte Häuschen mit kleiner Veranda. Süß! Hinten züchtet der Koch in einem prächtigen Garten allerlei Kräuter und Gemüse, in seiner Küche kommen sie dann zum Einsatz für die guten bodenständigen Gerichte. Was mich besonders freut: Herb Farm ist auch ein zu Hause von etlichen süßen Katzen, immerhin bleibt noch Zeit, die alle einmal durch zu knuddeln.
Der frühe Abend ist mittlerweile angebrochen. Wir haben gute drei Stunden Verspätung. Aber Julia will mir noch etwas ganz besonderes zeigen. Ein Kleinod. Luckenbach heißt der Ort, der eigentlich keiner mehr ist. Die vorletzte Volkszählung kam hier auf drei Einwohner, nun lebt hier niemand mehr dauerhaft. Geblieben aber ist eine Kneipe, die nicht uriger sein könnte. Ein klappriges Holzhaus mit allerlei witzigen Schildchen bietet zunächst einem Sammelsurium an Devotionalen Platz. Man bräuchte Stunden um alle Waren mit dem Auge zu erfassen.
Weiter hinten befindet sich die eigentliche Schänke. Auch hier würde es wohl Tage dauern, bis man jedes Foto, jeden Zettel und jeden Sticker an der Wand erfasst hätte. Wir holen uns ein bescheidenes Wasser und ziehen nach draußen um, wo uns Katzen und Hühner begegnen, die unaufgeregt dem Trubel hier folgen.
Auf der kleinen Bühne spielt gerade ein Cowboy mit Elvistolle und Peter Maffay Gesichtszügen, der zielstrebig und singend auf mich zu tanzt, als er meine Kamera sieht. Julia muss lachen. Wir suchen uns ein Plätzchen im Schatten, vergessen den Zeitplan vollends, plaudern über Amerika und Deutschland, das Leben und die Liebe. Erst als die Sonne langsam untergeht, machen wir uns auf den Weg zurück nach Austin. Nach Fredricksburg, das ist klar, muss ich auf jeden irgendwann zurückkehren.
Vielen Dank an Julia für diesen tollen Tag! Mehr Informationen gibt es bei Visit Fredericksburg.
Sieht alles toll aus! Sehr interessant. Aber wie komme ich von Deutschland aus dorthin? Einen Direktfkug gibt es wohl nicht.
MfG
Danke für die tollen Eindrücke. Und ja: Elvis Maffay gehört definitiv entdeckt.
In Bezug auf das Verhältnis mit den Indianers möchte ich noch hinweisen auf das Meusebach – Comanche Treaty gemacht am 9. Mai 1847. Das Dokument ist heute in der Texas State Library. Es ist eines der wenigen Treaties mit Native Americans (Indianer) das bis heute nie gebrochen wurde.
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Meusebach%E2%80%93Comanche_Treaty
Fuer jemanden, der sich fuer Geschichte interessiert: Interessante Informationen ueber die Gruendung von Fredericksburg und die erste grosse Deutsche Einwanderungswelle nach Texas von 1846 gibt es unter den folgenden Links:
https://en.wikipedia.org/wiki/History_of_Fredericksburg,_Texas
https://en.wikipedia.org/wiki/John_O._Meusebach
Baron Otfried Hans von Meusebach war ausschlaggebend fuer Fredericksburg. Sehr interessant auch die Tatsache, dass er mit den vor Ort lebenden Comanche Indianern frueh ein Friedensabkommen vereinbaren konnte, dass die Zulieferung von Wild und anderen Lebensmitteln garantierte. Ohne diese lokalen Lebensmittel und die Hilfe der Indianer haetten die ersten Siedler nicht ueberlebt und Fredericksburg waere wieder aufgegeben worden. Eine der wenigen “Erfolgs-Geschichten” zwischen fruehen weissen Siedlern und “native Indians”.
Danke, Chris. Noch ein Grund mehr, zurückzukehren und mehr in die Geschichte einzutauchen!
Am besten hat mir ja Elvis Maffay gefallen
Ja oder? Ich musste gleich dreimal hinschauen, ob es nicht der Echte ist! 😀