Es ist Zeit, mich von Kyoto zu verabschieden. Mit dem Shinkansen Schnellzug soll es für gerade mal 24 Stunden nach Tokio gehen. So oft hab ich diesen hypermodernen Zug schon auf Bildern oder in Videos gesehen. Nun stehe ich am Ticketautomaten und verstehe nur Bahnhof. Ich weiß nicht welche Klasse ich buchen soll, es stehen drei zur Auswahl. Also entscheide ich mich für die Mitte, die Klasse der Green Cars. Erst später werde ich kapieren, dass ich wohl die erste Klasse gebucht habe. Nobel geht die Welt zu Grunde. Mit meinem Köfferchen in der Hand finde ich irgendwann auch meinen Bahnsteig. Denn die Anzeigentafel zeigt mir nur Japanisch an. Auf meinem Ticket stehen meine Wagonnummer und mein Sitzplatz und praktischerweise hält wohl Wagen Nummer Acht eben immer genau an dem dafür vorgesehenen Platz. Ach, Japan du bist so herrlich!
Dann schießt der Zug ein, dessen Lok wirklich aussieht wie von einem Science Fiction Film. Die Japaner haben sich brav aufgereiht und ich tue es ihnen nach. Gedrängelt wird hier nicht. Mein Fensterplatz ist breit wie ein Sofasessel, es gibt eine bequeme Fußstütze und ein großes Panoramafenster. Wir verlassen den Bahnhof pünktlich auf die Sekunde. Nur etwas mehr als zwei Stunden brauchen wir nach Tokio, vorbei an etlichen kleinen und größeren Städten, beziehungsweise mittendurch. Und einen gefühlt winzig kurzen Moment sehe ich auch das Meer. Zu meiner Freude gibt es auf der gesamten Strecke Internetempfang in LTE-Qualität. Take this, Deutsche Bahn! Und dann bin ich da. Tokio. Eine Stadt aus vielen Städten, ihre Größe ist schier unfassbar. Und alles was in ihr ist, überwältigt mich auf einen Schlag. Es ist laut und voll. Alle Menschen um mich herum wissen genau wo sie hingehen müssen, welcher Ausgang der Richtige ist. Nur ich nicht. Ich bin komplett verloren. Freundlicherweise finde ich überall Englisch sprechende Hilfe – und so erreiche ich endlich meine Herberge für eine Nacht.
Das Park Hotel Tokyo ist wirklich ein Geheimtipp. Es ist in einem der etlichen Wolkenkratzer untergebracht, obwohl „untergebracht“ das falsche Wort ist. Denn das Hotel beginnt erst auf der 25. Etage! Viele Zimmer sind von Künstlern unterschiedlich gestaltet – das Park Hotel Tokyo ist ein Designhotel, wie es im Bilderbuch steht. Und bezahlbar ist es auch!
Und dann der Ausblick: von meinem schönen Zimmer schaue ich von hohen Fenstern auf die großflächige Stadt. Und zu meiner allergrößten Freude erfahre ich, dass das Hotel eine Whiskey Bar sein eigen nennt. Die muss ich natürlich später ausprobieren.
Schnell aber verlasse ich das Hotel, denn es bleiben nur noch 24 Stunden bis zu meinem Weiterflug auf meiner kulinarischen Weltreise mit Singapur Airlines. Mein erster Stopp ist ein kleiner Park mit einem Schrein. Denn wirklich: Tokio haut mir dermaßen eine ins Gesicht, dass ich erstmal ein wenig Grün und Ruhe brauche, um mich zu akklimatisieren. Und das schöne an dieser Stadt ist: Grünflächen und Parks gibt es zu Hauf. Der Atago Tempel ist für Tokioter Verhältnisse gleich um die Ecke und gibt mir nicht nur schöne Fotomotive, sondern auch endlich ein wenig Besonnenheit. Erst dann wage ich mich in das Getümmel der Stadt. Die weltberühmte Shibuya Kreuzung soll mein nächster Stopp sein.
Nach einer erneuten Verwirrung, welche U-Bahn ich denn nun nehmen soll, bin ich nach knapp 30 Minuten da. An der Shibuya Kreuzung, die wahrscheinlich jeder schon mal in irgendeinem Film gesehen hat, treffen Massen an Menschen aufeinander und überqueren die Straßen zeitgleich, da alle Ampel für Fußgänger auf Grün geschaltet werden. Ich schaue mir das Spektakel von der ersten Etage der U-Bahn an. Denn im besten Shibuya Spotting Ort, einem Starbucks, ist es gerammelt voll. Und natürlich muss ich selber über die Kreuzung gehen und werde wie ein Flummi hin und her geschleudert, denn niemand in Tokio ist so lahm wie ich. Fotos daher: Fehlanzeige!
Ein wenig schlendere ich durch die Straßen, in der die Geschäfte mit extremer Musikbeschallung und leuchtenden Auslagen um die Gunst der Kunden betteln. Ich brauche erstmal eine kleine Stärkung und gehe zurück zu U-Bahn. Denn dort, im Untergeschoss soll sich ein wahres Gourmetparadies befinden. Und richtig: kaum auszuhalten ist die Auswahl an japanischen und internationalen Köstlichkeiten. Die kleinen Gerichte, die man hier zum Mitnehmen an auf Hochglanz polierten Vitrinen kaufen kann, sind allesamt so liebevoll arrangiert und zubereitet, dass eine kleine Panik in mir aufkommt. Ich kann nicht alles probieren! Schlimm! Drei Mini Portionen lasse ich mir einpacken, in voller Hoffnung sie irgendwo in einem anderen Park essen zu können.
Aber die Uhr tickt, es ist schon dunkel, ich hatte die Transportwege in Tokio unterschätzt und zugegebenermaßen zu viel Zeit beim Essen gucken verbaselt. Da ich nur einen einzigen Abend hier habe, will ich unbedingt zu Memory Lane, einer winzigen Gasse hinter dem Shinjuku U-Bahnhof. Die “Memory Lane” ist wie ein Relikt aus der alten Zeit. Damals bekam sie auch ihren unappetitlichen Beinamen “Piss Alley” verpasst. Denn die Bars und Lokale in der Memory Lane sind so winzig, dass einfach keine Toiletten hineinpassten. Den Rest kann man sich also denken. Aber das hat sich mittlerweile geändert. Es gibt öffentliche Toiletten. Die Bars selber sind immer noch so winzig wie vor etlichen Jahrzehnten.
Ich schlendere einmal hoch und runter und schaue, was auf den Grills der Bars liegt. Denn hier gibt es keine Haute Cuisine, sondern meistens gegrilltes Fleisch am Spieß. Dazu ein Bier und vielleicht noch eine kleine Beilage. Ich habe keine Ahnung welche Bar die beste ist, also folge ich einfach meiner Nase und wähle eine Bar, aus der mir eine Frau freundlich zulächelt. 10 Menschen hocken hier bereits am Tresen, der hinterste Platz ist noch frei. Alle müssen aufstehen, damit ich überhaupt zu meinem Platz komme, so schmal ist das Lokal. Und nur wenige Minuten später stehen die Hühnchen Spieße frisch gegrillt vor mir, neben einem Nudelsalat, den auch meine Mama so gemacht hätte – und wieder einer übergroßen Flasche eiskaltem Bier und dem wohl kleinsten Glas der Welt. Es schmeckt köstlich.
Eine gute Stunde später erreiche mein Hotel. Hundemüde und platt wie ein Flunder. Aber egal, ich bin nur einmal hier – also gehe ich runter in die Bar, bestelle einen japanischen Whiskey und denke ganz stark an meinen Lieblingsschauspieler Bill Murray. Er hat heute Geburtstag.
Der Whiskey ist dann auch daran Schuld, dass ich es nicht schaffe (wie ursprünglich geplant), um vier Uhr morgens aufzustehen um den direkt hinter meinem Hotel liegenden Fischmarkt zu besuchen. Denn: wer sich die berühmte Tunfisch Auktion anschauen will, muss so früh auf der Matte stehen.
Ich bin dann schließlich um 9 Uhr morgens da, ohne Auktion, aber mit unglaublich viel Gewusel auf den Marktstraßen. Wer einen robusten Magen hat, kann hier hervorragend frühstücken und sich Ramensuppen, Udonnudeln, Fisch oder Sushi servieren lassen. Wie immer in Japan: in enorm guter Qualität.
Ich nasche ein wenig und mache mich dann auf zum Shogun Park Hamarikyo Garden, ebenfalls direkt hinter meinem Hotel. Die Sonne scheint, die Vöglein zwitschern, ich bin glücklich, satt und verliebt. In Japan. Und Tokio.
Ich muss unbedingt schnell zurück in dieses verrückte, zauberhafte, köstliche, freundliche Land. Aber gleich geht mein Bus Shuttle zum Flughafen. Los Angeles will und kann ich nicht warten lassen.
Mein weiterer Dank gilt den vielen Helfern von Singapore Airlines, die mir diese Reise ermöglicht haben und drei Monate mit mir am Konzept gebastelt haben. Singapore Airlines hat mich auf die Reise eingeladen. In Kürze erscheinen meine Geschichten auch im Bordmagazin der Airline.
Danke für deinenschönen Bericht. Ich fliege im September, freue mich schon riesig. Viele Grüße
Im Hamarikyu-Garden Park ist ein See mit traditionellem Teehaus – ein Highlight!!! Außerdem kann man mit dem “Wasserbus” von Asakusa in 35 Minuten direkt zum Park schippern. Vom Park aus ist die Ginza-Shoppingmeile dann zu Fuß zu erreichen (Kontrastprogramm ; -)
Oh mein Gott… ich wollte schon immer mal nach Tokyo reisen! Nach diesem Beitrag hat sich meine Reiselust für diesen Ort gleich verzehnfacht! Danke. Und die Fahrt mit dem Shinkansen ist bei mir weit weit oben auf der Bucket-Liste! Super Bericht! 🙂 Ich grüsse dich herzlich.
Der Shinkansen Schnellzug ist schon beeindruckend, ich denke mit dem werd ich auch mal fahren.
Tokio ist wirklich nett und ich hab erfahren, dass sie den schnellsten Zug überhaupt haben . Ich bin sicher, dass Sie eine erstaunliche 24 Stunden dort in Tokio hatten. Das werde ich auch bald erleben!
LG
Dennis
Das sieht nach sehr interessanten und vor allem erlebnisreichen 24 Stunden in Tokio aus. Fast wäre ich dieses Jahr auch nach Japan gefahren, dann war der Preis für einen USA Flug aber doch wesentlich günstiger und da musste ich einfach zuschlagen. Tokio steht aber auf jeden Fall auf meiner Liste und das Hotel, das du empfohlen hast, sieht wirklich nett aus. Danke für die Tipps!
Herzlich,
Anna
Hallo Anna,
ja die USA sind eine ganz andere, uns doch eher vetraute Welt. Und die habe ich mit meinen nun schon 29 Staaten dort auch langsam wirklich durch, naja – nicht ganz logischerweise.
Ich hoffe, du schaffst es bald nach Japan!
Liebe Grüße
Angelika
Hi! Danke für deinen Bericht. Japan steht auch noch weit oben auf meiner To-Do-Liste und ich sammele schon viele Infos darüber. Faszinierendes Land!
Viele Grüße Birte!
Halleluja! Toller Bericht und schöne Fotos. wir haben uns mal gemerkt, dass der Starbucks an der Shibuya-Kreuzung der beste Platz zum Gucken ist – in der Hoffnung dort Ende März einen Aussichtsplatz zu erhaschen. Denn dann geht es für uns ganze 2 Wochen nach Japan! Kann nur gut werden 😀
Lieben Gruß, Anna & Vanessa
Hallo und Konichiwa ihr beiden, ja – zumindest ist man da sehr nah an der Kreuzung dran. Aber: man sieht auch alles eben bequem aus von der U-Bahn Station, vom ersten Stock aus! 😉 Ganz viel Spaß im schönen Japan! Ich hoffe, ihr reist auch nach Kyoto und Osaka!
Liebe Grüße
Angelika