Die Luft ist irgendwie cremig an der Küste von Oregon. Oder nur besonders frisch? Ich kann micht schwer entscheiden. Vielleicht driften meine Gedanken auch nur ab, weil ich mich in einem fast meditativen Zustand befinde. Denn ich starre auf den Pazifik. Die vergangenen Tage waren vollgepackt mit fürchterlich schönen Landschaften und kleinen Abenteuern. Durch Oregons Wälder und über Berge sind wir gefahren, haben Flüsse überquert, Wasserfälle bewundert, manch Staubwolke in der Wüste Oregons hinter uns gelassen. Und nun sind wir endlich da. Ich finde jede Reise sollte zum Meer führen.
Vom Smith Rock waren wir über Bent nach Roseburg gefahren. Ein kleines und verschlafenes Nest, in dem wir nur eine Nacht verbrachten. Aber die eigentliche Roseburg – Geschichte trug sich im einzig geöffneten Restaurant des Ortes zu: Es schüttete wie aus Eimern. Nina und ich standen draußen unter dem schützenden Vordach, als die Tür aufging und ein junger Mann herauskam, um sich mit weit ausgestreckten Armen mitten in den Regen zu stellen, seinen Kopf hatte er mit Schwung in den Nacken fallen lassen. Ein langezogenes, geniesserisches “Aaaaaahhh” entwich seinem lächelnden Mund. Als er unsere verdutzten Blicke entdeckte, fragte er uns “So, you are not from Oregon?”. Wir verneinten. Und dann klärte er uns auf, dass es eben eigentlich viel regnen würde in Oregon. Nur die letzten drei Wochen nicht. Und, so fuhr er fort, dass Oregon den Regen regelrecht brauchen würde – es sei ja ein sehr grüner Staat. Die Kalifornier wären auch furchtbar neidisch auf den Regen von Oregon. Das konnten wir verstehen und stimmten zu. Warum er aber weiterhin einfach im Platzregen stehen blieb und danach komplett durchnässt wieder ins Restaurant ging und weiter aß, wird sein Geheimnis bleiben. Oregon halt…. irgendwie anders.
Am nächsten Morgen schien wieder die Sonne als wolle sie den Mann vom Vorabend so richtig ärgern. Wir cruisten entlang des Umpqua Rivers durch schnucklige Täler und verwunschene Örtchen. Mit den Tokotee Falls erwanderten wir uns den letzten Wasserfall unserer Reise und verirrten uns danach fast im Wald, als wir auf der Suche nach einem uns empfohlenen Restaurant waren. Dann endlich, endlich hatten wir den Highway 101 erreicht. Die Legende. Die Schönheitskönigin der Amerikanischen Highways – Traum aller Roadtrip-Fans. Unser Wagen legte sich geschmeidig in die engen Serpentinen, es ging rauf und runter, und dann erspäten wir ihn endlich mit unseren Augen: den Pazifik.
Mir ist übrigens oft nicht klar, warum er so heißt, denn seine Brandung ballerte auch hier mit Karacho auf die felsige Küste. Die Seelöwen unten, die wir von Aussichtspunkten am 101 sehen und vor allem riechen konnten, störten sich natürlich nicht daran. Sie dösten mit ihren dicken Bäuchen in der Sonne und grunzten.
Einen etwas ruhigeren Stopp legten wir am Heceta Lighthouse ein, beziehungsweise am Strand direkt davor. Das Panorama ist so dramatisch schön, dass sich hier etliche Hobby-Maler mit ihren Utensilien hinsetzen und ihre Pinsel schwingen. Da war er dann auch wieder, der sinnbildliche Bob Ross in meinem Kopf, der mir so oft auf dem Roadtrip durch Oregon gedanklich begenet ist. Meine geliebte Schwester hätte gesagt: es ist zum Kotzen schön hier.
Daran denke ich in dem Moment, als sich der Himmel angeberisch im flachen auf den Strand ziehenden Meereswasser spiegelt. Als hätten Himmel und Meer einen Wettkampf, wer von beiden hier in Newport schöner ist.
Zum Sonnenuntergang holen wir uns eine Pizza und ein Bier. Einfach aber gut – und ein würdiger Abschied am letzten Abend unserer Reise. Wir sitzen im Garten unserer entzückenden Bed & Breakfast, der Tyee Lodge, der schönsten und niedlichsten Unterkunft unseres Roadtrips. Schon bei unserer Ankunft hatte uns die Dame des Hauses noch warme, selbstgebackene Kekse hingestellt, bevor sie uns die süßen Zimmer zeigte. Besser kann man nicht empfangen werden.
Aber nun endlich geht die Sonne langsam unter. Wir staunen über die Fontänen der Wale, die sich die Küste mit den Surfern teilen. Jeanny geht schnell rein und holt sich noch einen Keks, Nina steht wie angewurzelt und verzaubert vor mir, den Blick gen Westen gerichtet. Und just in diesem Moment legen sich die Wellen und es kehrt Ruhe ein.
Wir sind angekommen. Der Weg war wie immer das Ziel. Ich denke: Danke, Oregon! Und nehme noch einen Schluck Bier.
Vielen Dank an Travel Oregon, die unser Programm in Teilen unterstützt haben.