Ganz still ist es hier morgens. Noch regt der Wind die Wellen nicht auf. Noch platscht das Wasser nicht gegen die kleinen Felsen in der Bucht. Hier feiern nachts keine Touristen, die wenigen Menschen, sie sich hier her verirren liegen abends um zehn unter dem Moskitonetz. Dann träumt man vom blauen Wasser, von einsamen und unberührten Stränden, vom üppigen Dschungel im Norden der Insel.
Man hört die Vögel zwitschern und sieht handtellergroße bunte Schmetterlinge von Blume zu Blume flattern. Und wenn man morgens aufwacht und die kleine Holzterrasse mit der Hängematte betritt, dann merkt man dass das ja gar kein Traum war. So ist das hier wirklich auf Koh Jum.

Abends schimmern die Lichter von Kho Phi Phi herüber. Da sitzen gerade Tausende in den etlichen Restaurants. Vielleicht essen sie eine Pizza oder Spaghetti. Musik wummert laut. Vielleicht Café Del Mar. Vielleicht auch Gangnam Style. Sie reden wahrscheinlich darüber, dass im Film “The Beach” alles irgendwie anders ausgesehen hat und dass es nicht so voll war. Und dann googeln sie wie alt der Film ist. Und reden darüber, dass sich in so vielen Jahren und bei solch einer PR für eine Destination viel ändern kann. Sogar uns Leonardo hat mittlerweile graue Haare. Und wie groß der geworden ist. Und vielleicht schauen sie dann schweigend raus auf’s Meer nach Osten. Und vielleicht sehen sie kleine Lichter. Und bemerken leise zum Gegenüber: “Schau mal, da liegen ein paar Boote”. Dabei sind das die wenigen Lichter “meiner” Insel. Hier dudeln leise französische Chanson. Gerade habe ich ein zartes Thaicurry verspeist. Und an unserem felsigen Strand gibt es nur eine Handvoll winziger, einfacher Resorts mit Hütten. Hier ist eben nichts, und wie ich gehört habe, wird das auch so bleiben. Hoffentlich.


Nach meinen Abendessen sitze ich auf meiner Terrasse. Die Grillen zirpen und die Brandung rauscht. Ich lese. Hinter mir raschelt es. Dann höre ich ein Schlabbern. Einer der Hunde trinkt aus dem mit Wasser gefüllten Stein-Krog neben den Treppen zu meiner Hütte. Als er fertig ist legt er sich vor die Stufen. Als würde er mich bewachen wollen. Dabei schließt man nicht mal tagsüber seine Hütte ab. Das muss man nicht. Ist ja nix los hier.

Ein Feuerwerk lässt alle hochschrecken. Die vier Hunde kommen ängstlich angerannt. Alle Gäste hier schauen vom Essen hoch und sich fragend an. Was war das? Zweimal noch kracht es laut. Dann kehrt wieder Ruhe ein auf Koh Jum, und nur die Grillen zirpen weiter fröhlich. Und unten rauscht das Meer.

Oon, der Thailändische Besitzer meines Zuhaues, des Oonlee Bungalow Resorts kommt zu mir. Er sagt: „Hörst du das?“ Und legt seinen Finger an sein Ohr. „Was?“ frage ich. „Das Geräusch!“ sagt er. Aber ich höre nichts. Oon spitzt die Lippen und macht das Geräusch nach. Es klingt wie ein tiefes Muh einer Kuh. „Das sind meine Frösche,” erklärt er „wenn sie diesen Laut machen, dann regnet es morgen Abend.“ „Aha“ sage ich und will wissen ob er auch hören kann wie stark der Regen sein wird. „Ach,“ antwortet er, „vielleicht zwanzig Minuten!“ Erst als ich unten in meiner Hütte bin höre ich das Geräusch auch. Allerdings klingt es für mich wie ein Esel. Geregnet hat es allerdings doch nicht.

Koh Jum ist in heller Aufregung. Morgen soll ein Thai-Boxing Kampf veranstaltet werden. Ein Highlight. Jeder verkauft die kleinen gelben Eintrittskarten. Dann der Abend der Kämpfe. In einer kleinen Ecke stehen Plastikstühle. Darauf sitzen ein paar Touristen. Vielleicht vierzig, schätze ich und denke: Die Farang Ecke. Um den Boxring herum stehen die Locals. Zunächst kämpfen die kleinsten. Wenn bei uns Fliegengewicht 60kg sind, dann sind die kleinen Jungs eher Mückenbabies. Dünn sind sie. Aber durchtrainiert. Die Erfahreneren von ihnen führen vor dem Kampf noch einen kleinen Tanz auf. Dann versteinert sich ihr Gesichtsausdruck. Konzentration und männliche Drohgebärde lese ich darin. Irgendwie putzig mit gerade sieben Jahren. Die Spannung steigt, dann tänzeln sie los, mit Boxhandschuhen so groß wie ihr kleines Köpfchen. Tritte und Harken schnellen durch die Luft. Oder treffen den Gegner. Manchmal weiß man nicht, ob über den Kämpfern der Schweiß fliegt oder die Mücken auf ihre Stechgelegenheit lauern. Auf jeden Fall reflektiert irgendwas im Scheinwerferlicht. In einer Pause werde ich dem Inselpolizisten vorgestellt und will wissen, wie viel er auf der Insel zu tun hat. „Kaum was,“ sagt er. Und fügt hinzu: „Hier ist ja zum Glück nichts los.“

Ich bin unterwegs mit Koh Jum Divers, der einzigen Tauchbasis auf der Insel. Eine kleine aber erfahrene Crew mit Verstand und Herz. Auf dem Boot ist nicht viel Platz. Wie herrlich. Wenn es sehr früh losgeht holen die Dive Master das Frühstück für alle bei einer Frau und ihrem Streetfood-Stand ab. Vera, Tauchlehrerin aus Irland ist für alle Tauchgänge mein Buddy. Sie ist ruhig, gelassen und ihr Charme würde einmal bis zum Mond und wieder zurück reichen. Sie strahlt eine felsenfeste Sicherheit aus, gerade für mich als Anfänger genial. Wir verstehen uns blendend, sehen wundervolle Gebiete und schöne Fische und erfreuen uns selbst an den kleinsten Dingen. Auch Graham, Gemma und Yop sind mit im Team und erobern alle schnell mein Herz und meinen Respekt. Angenehm familiär ist es mit Ihnen. Nach meinem letzten Tauchgang frage ich mich, warum das alles so ein rundes Bild abgibt. Und weiß schnell die Antwort: Koh Jum Divers passen einfach zur Insel wie die Faust auf’s Augen. So entspannt, so freundlich und freundschaftlich, so gelassen.

Ich schwitze und mein Puls schlägt höher. Ganz stark muss ich mich konzentrieren und an das denken, was mein alter Fahrlehrer immer gesagt hat: „Wenn du mit dem Motorrad im Gelände bist musst du umdenken. Bei Gefahr: Gas geben. Nicht wie auf der Straße! Sonst fällst du hin“. Herr Schmidt aus Hameln war ein guter Lehrer. Seine Worte von vor 24 Jahren retten mir heute zumindest meine Haut. Denn ich bin mit einem kleinen Roller auf Erkundungsfahrt.
Auf der Insel gibt es nur eine geteerte Straße. Mein Bungalow liegt allerdings nicht daran. Ihn erreicht man nur über eine gefährliche Sandstraße, voller Schlaglöcher und Geröll. Sie liegt an einem steilen Hang zum Meer. Fast wäre ich hingefallen, aber ich habe Gas gegeben. Danke, Herr Schmidt. Kop Khun Ka, Koh Jum.
Ich komme wieder.
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