Februar. Ich bin zu warm angezogen, 19 Grad sind es draußen und die Sonne knallt vom blauen Himmel. Hallo Kalifornien! Ich besuche meine geliebten Berliner Freunde, die für ein paar Jahre in Berkeley wohnen. Ganz nah bei San Francisco, in der Bay Area.
So weit weg von mir. Weil wir uns so selten sehen, sauge ich jede Minute auf wie die Februar-Sonnenstrahlen. Rare und kostbare Momente.
Ein paar Tag später sind wir auf Erkundungstour. Abgeschieden und isoliert befindet sich ein eigentümliches Dörfchen nahe San Francisco im Marine County, das schon weltweite Schlagzeilen gemacht hat. Bolinas heißt es und ist …. tja… irgendwie anders. Ich hatte gelesen, dass man hier keine Fremden mag. Dass sich das Dorf abkapselt. Regelmäßig ziehen Dorfbewohner los um am Highway 1 das richtungsweisende Schild „Bolinas“ abzuschrauben. Man will nicht gefunden werden. Ich las, dass Touristen die Autoreifen aufgestochen werden. Wir sind mutig und wissen auch ohne Schild Bescheid, das Navi lässt sich nicht betuppen – also wagen wir das Eindringen. Bolinas ist ein Hippie-Nest, ein sehr schönes. Eigentümliche Häuser stehen hier, manche sehen aus wie Ufos. In den Gärten sehen wir etliche Beete, Obstbäume und allerlei Baumhäuser. Das Dorf ist unterteilt: in den Bereich oben, dessen Ende steil ab ins Meer fällt und den Bereich unten am Wasser.
Ich hatte gedacht, dass wir hier als Fremde schief angeguckt werden. Aber ich habe mich getäuscht. Die Menschen die uns auf den Straßen entgegen kommen grüßen freundlich. Unten an der kleinen Dorfhauptstraße steigen wir aus und gehen zum Meer. Das Wetter spielt heute ausnahmsweise nicht mit, es ist bewölkt und windig. Die Wellen peitschen an die mit Graffiti übersäte Kaimauer. “Many of us regard this place as sacred space“ steht da zum Beispiel. Ja, Bolinas ist irgendwie ein heiliger Ort. Ein Surfer schleppt sich gerade noch aus den Fluten an die sichere Küste. Heute ist der Pazifik ein Ungeheuer. Es scheint hungrig und gierig zu sein.
Wir finden einen kleinen Buchladen, dessen Konzept so eigenwillig wie Bolinas selbst ist. Es gibt gebrauchte Bücher. Ein gutes Buch kostet 2 Dollar, ein richtig gutes Buch 3 Dollar und das beste Buch aller Zeiten Buch 50 Dollar. Der Käufer entscheidet allerdings selbst, wie gut das Buch ist und stopft die Dollarnoten einfach in eine rostige Blechdose.
Gleich nebenan ein Krimskrams Laden, Flohmarkt-Style. Zwei Ömmchen sortieren und verkaufen das Gut. Sie witzeln mit uns und freuen sich über unsere kleinen Einkäufe. Von Fremden-Ressentiments keine Spur. Selbst der Dorfhund Sophie, der keinem und zugleich allen in Bolinas zu gehören scheint, kommt schwanzwedelnd auf uns zu.
Der Hunger treibt uns weiter. Im Coast Café – dem einzig wirklichen Restaurant in Bolinas – kehren wir ein. Ein urgier Laden, mit freundlichem Personal. Ein gusseiserner Ofen sorgt für behagliche Wärme. Aus einer kleinen Ecke höre ich Deutsch. Wir sind also nicht die einzigen Touristen. Das Essen ist genial und reichhaltig. Natürlich ist hier vieles Bio, regional und mit Liebe gemacht. Der Fisch und die Austern kommen direkt vom Fischer aus dem Dorf und Nachbardorf.
Nebenan beim Gemeindezentrum haben die Bewohner von Bolinas eine Tauschbörse errichtet. Jeder gibt was er nicht mehr gebrauchen kann und nimmt dafür etwas anderes. Wir haben nichts zu geben außer einem Lächeln, aber nehmen etwas mit: das Gefühl, zu verstehen, warum Bolinas zu Recht nicht will, dass sich hier zu viele Fremde niederlassen. Das würde die Ruhe und die Gemeinschaft stören, vielleicht sogar zerstören. Also fahren wir nach dem Essen wieder brav zurück nach Berkeley. Im Gepäck Doggy-Bags vom zu üppigen Abendessen. Ich spiele DJ im Auto und wähle leise und ruhige Musik, die irgendwie wahnsinnig gut zu Bolinas passt. Meine Freunde und ich schweigen und lauschen den Tönen. Noch liegen ein paar Tage gemeinsam vor uns. Wenn die vorbei sind, wird es hoffentlich nicht lange dauern, bis ich die beiden wiedersehe und in meine Arme schließe. Auch nach Bolinas werden wir dann wieder fahren. So etwas schönes sollte man ruhig öfter besuchen.
Einwohner schrauben das Ortsschild ab, Häuser, sehen aus wie Ufos und dazu mysteriöse schwarz-weiß Fotos… Witziger Bericht über ein Dörfchen, das ich wohl sonst nie “gekannt” hätte. Ilike :-p