Vor mir wackeln pralle Popos und alles ist bunt. Die Musik dröhnt mit lauten Bässen, und mein Schweiß rennt mir in die Augen. Ich hätte ein Handtuch mitnehmen sollen. Aber ich lache, denn Lachen ist ansteckend. Wer mich infiziert sind die tausende Tänzer, die hier Po-schwingend und Busen-wackelnd an mir vorbeiziehen.
Sie sind spärlich aber glitzernd bekleidet und wollen nur das eine: feiern! Ihr Lachen wird breiter, ihr Tanz ekstatischer und die Sprünge höher als sie in Gruppen an der Jury vorbeiziehen.
Nein, ich bin nicht in Rio de Janeiro. Ich bin auf Barbados und was aussieht wie Karneval ist mindestens genauso schön, aber bei uns weit weniger bekannt. Auf Barbados feiert man einmal im Jahr das Crop Over Festival. Ich hatte zuvor noch nie davon gehört. Und wer des Englischen mächtig ist, der ahnt: eigentlich war das mal ein Erntedankfest. Nur nicht so dröge wie bei uns.
Barbados hat eine recht bunte, aber auch drückende Geschichte hinter sich. Sklaven wurden hier unter anderem zur Landarbeitgehalten. Das Zuckerrohr, heiß begehrtes Gut, wuchs hier in üppigen Massen und idealen Bedingungen. Und einmal im Jahr wurde seine Ernte gefeiert.
Das Johlen des Publikums wird lauter. Jetzt kommt das Lied das den ersten Platz gemacht hat. Denn jedes Jahr werden nicht nur die besten Tänzer, sondern auch das beste Calypso Lied für das Spektakel gekürt. Jedes Jahr tüfteln etliche Musiker daran den heißesten Sound zu kreieren. Dieses Mal hat es ein Sänger namens Grod geschafft. Der Rhythmus ist eingängig und natürlich handelt sein Lied „My rum“ von Sänger von Liebe, beziehungsweise von der enttäuschten. Grod beklagt, dass seine Frau ihn verlassen hat – aber ihm bleibt immerhin noch der (natürlich aus Zuckerrohr hergestellte) Rum.
Apropos: obwohl die gesamte Insel an den drei Finaltagen des Crop Over Festivals im Prinzip nur feiert, kann ich mir auch abseits des Trubels einiges anschauen. Auf einer kleinen Safari durch die abwechslungsreiche Landschaft Barbados’ mache ich an einer der ältesten Rumbrennereien halt. Rum trinkt man hier im Prinzip den ganzen Tag. Ganz unschuldig kommt er daher, meistens als Rumpunsch mit allerlei Fruchtsaft vermischt. Ebenso scheinheilig schmeckt er: köstlich, süß und süffig. Aber er hat es faustdick hinter den Ohren.
In der Brennerei von St. Nicholas Abbey Plantation trinke ich vorsichtig zunächst ein kleines Schlückchen, dann immer mehr und als ich durch die alten museumsähnlichen Kolonialräume schlendere und mir einiges zur Rumproduktion erzählt wird, setzt langsam aber sicher die Wirkung ein. Vollends allerdings merke ich das erst bei dem zweiten Becher. Aus Schlendern wird also Stolpern und Wanken. Huch.
Ich habe keine Ahnung wie die Einheimischen das hier machen. Feiern, Rum süppeln und tanzen – und das bei der Hitze. Denn Crop Over läuft sage und schreibe ganze zwei Monate, von Juni bis August. Am Finaltag dem Kadooment Day ist wirklich alles auf den Beinen und feiert. Die Straßen der kleinen Dörfer sind wie leer gefegt, alles stürmt nach Bridgetown, der Hauptstadt von Barbados. Nur die heimliche Königin von Barbados, besser bekannt unter dem Namen Rihanna, was dieses Mal abtrünnig. In den vergangenen Jahren kehrte sie zurück in ihre Heimat, mischte sich unter’s Volk, ließ die schmalen Hüften kreisen und sang laut mit. Der sich kreisende Popo vor meinen Augen gerade gehört einer anderen jungen Dame. Und er ist üppiger. Hier mag man das und das ist auch gut so.
Mehr Infos zum Crop over Festival gibt es hier. Die nächste Saison steht ja schon praktisch in den Startlöchern.
Auf die Reise wurde ich von der Barbados Tourism Authority eingeladen, mehr Infos zur Insel findet ihr auch dort.
Die Südländer wissen einfach, wie man feiert – phänomenal! Von dieser Ausgelassenheit könnten wir uns auch eine Scheibe abschneiden, dann anscheinend macht diese unkomplizierte Art richtig glücklich! Ich war schon auf den Karneval in Rio, auf dem Crop over Festival aber bisher noch nie. Ehrlich gesagt war mir dieses Event auch gar nicht so bekannt – danke für den Tipp; dort möchte ich auf jeden Fall mal hin!