Klopf Klopf… die Tür knarrt ein wenig, als ich mich dagegen lehne und sie aufdrücke. Eine kaugummikauende Frau mittleren Alters schaut mich fragend durch die Glasscheibe zwischen mir und ihr an.
Ihre dunklen Haaren wehen im Wind des alten Ventilators der neben ihr steht. In der winzigen Polizeistation riecht es nach geputztem Linoleum und viel zu schwachem Kaffee. „Hi“ sage ich, „I am from Berlin, Germany. Is there maybe an officer who would like to be on a picture with me?“ Ihre Augenbrauen ziehen sich zusammen – zuerst denke ich sie versteht mich nicht. Es dauert aber nur eine weitere Sekunde, dann lächelt sie und antwortet: „Sure honey, I’ll check“ – steht auf, geht nach hinten und kommt mit einem Beamten in Uniform wieder. Ende dreißig ist er wohl, hat etwas zu viel auf den Rippen, trägt ein einfaches Brillengestell und fixiert mich mit seinen kleinen runden Augen. Nachdem ich mich noch einmal erkäre, taut er auf und macht den kleinen Spaß freundlicherweise mit. Jeffrey Lawson heißt er – tatsächlich… “der Sohn des Gesetztes” – und lächelt nicht nur verschmitzt in die Kamera, er schenkt mir auch noch etwas: ein nagelneues Polizei-Abzeichen seiner Stadt. Was für ein schöner Empfang.
Ach ja, vielleicht sollte ich das mal kurz erwähnen. Die winzige Stadt, in der ich mich befinde, heißt wie die Stadt in der ich lebe: Berlin. Allerdings liegt sie in Maryland, USA. Dieses Berlin hat knapp 4.500 Einwohner, im Sommer sind es auch mal mehr. Wie eine Lebensader durchzieht, typisch Amerika, eine schmale Hauptstraße die Kleinstadt – an ihr sind fast alle Geschäfte zu finden. Und das sieht besonders hübsch aus. Die meisten Häuser der Mainstreet sind aus rotem Backstein im viktorianischen Stil gebaut, die Fußwege vor den Ladenfenstern sind ansehlich überdacht. Es gibt kostenloses Wifi für Besucher in der Stadt, ein kleines Hotel mit (wie man mir mehrfach versichert) guter Küche, zwei ganz hübsche Cafés und anscheinend ein intaktes Gemeinde-Leben.
In Berlin werden alljährlich ein smoothes Jazz und Blues Festival und andere skurrile Festivitäten wie das Badewannenrennen, das köstliche Pfirsich-Fest oder das High-Heel-Race veranstaltet. Der pittoreske Ort wird von hübschen Villen umzingelt, alle mit gepflegtem Vorgärten und frisch getünchten Fassaden. Vielleicht sind all dies Gründe, warum Berlin in diesem Jahr von den Lesern des Magazins “Budget Travel” zur coolsten Kleinstadt Amerikas gewählt wurde. Ich finde: zu Recht!
Die schöne Atmosphäre der Stadt ist umso eigenartiger, weil rundherum in angrenzenden Gemeinden und Örtchen einfach mal gar nichts los ist. Ganz im Gegenteil: hier sind teilweise die Häuser verfallen und man kommt sich vor, als würde man durch Geisterstädte fahren. Aber in Berlin, Maryland blüht das Leben. Sprichwörtlich. Pralle Blumen überall, die Häuser sind renoviert, die Feuerwehrautos blitzeblank geputzt. Auf der Straße grüßt man sich natürlich und schnackt miteinander. Und anscheinend legen die Marylander Berliner Wert auf gute Ernährung: es gibt einen kleinen Bioladen und eine Weinhandlung – und ich bekomme mit, wie die Besitzerin eines schönen Cafés mit dem Pastor der Gemeinde plaudert und ihm wohlwollend rät, er solle doch lieber mal einen guten Tee statt so viel Kaffee trinken. Bilderbuch Amerika.
Im zweiten Café, dem Berlin Coffee House, komme ich mit dem Mitarbeiter ins Gespräch und durchlöchere ihn mit Fragen. Dabei lerne ich, dass Berlin natürlich ÜBERHAUPT nichts mit meinem Berlin in Deutschland zu tun hat, sondern von einem Familiennamen stammt. Die Familie Burleigh betriebt hier einst eine Herbege, ein „Inn“ – und irgendwann wurde der Einfachheit halber einfach Berlin draus. Aber mein Berliner Bürgermeister Wowereit sei trotzdem schon mal da gewesen. Und nicht nur der. Vielleicht kennen romantisch veranlagte Leser diesen Ort aus der Hollywood-Schmonzette “Die Braut, die sich nicht traut” mit Julia Roberts und ihrem ewigen geliebten Richard Gere? Ich hab den Film glaube ich nicht gesehen, hole das aber mit Sicherheit nach!
Einen Block weiter entdecke ich einen bunten Shop mit hübschen T-Shirts aus Berlin. Der Lokalpatriotismus scheint mich schnell angesteckt zu haben, nicht mal von meinem Berlin habe ich ein T-Shirt, hier in Maryland finde ich eins, das mir gefällt. An der Kasse komme ich mit dem Besitzer des Ladens ins Gespräch. Er heißt Steve Frene und erzählt mir mit strahlenden Augen und geschwellter Brust, dass er ein Lied über seine Stadt geschrieben hat – und dass es sogar ein Video dazu gibt. Schon auf dem Weg zu meinem Wohnmobil lade ich das Video auf meinem Handy und höre und schaue es mir an. Ich finde den Ohrwurm tatsächlich sehr eindringlich und kann nicht anders: ich reiche ihn einfach an euch weiter.
So schön kann Berlin sein – nicht nur mein großes Berlin, das ich so liebe. Irgendwann in diesem Leben will ich noch einmal wieder kommen und etwas länger zu bleiben. Und vielleicht werde ich dann mit den Bewohnern einen Eistee schlürfen nachdem ich beim Badewannenrennen mitgemacht habe. Oder ich könnte mit den Jungs der Feuerwehr ein paar fette Steaks braten und mit Steve ein neues Lied singen? Oder sogar mit Jeffrey einen Tag Streife zu laufen? Ich als Praktikant in Berlin, Maryland sozusagen. Ich könnte mich ja mal bewerben, oder?
Hoffentlich lautet die Antwort dann auch „Sure honey!“.
Danke an CU Camper für die Unterstützung meines Wohnmobil-Roadtrips durch die USA.
Hi Synke, ich habe es gerade nicht dabei (bin gestern auf Barbados angekommen) – es ist ein typisch Berlin-Maryland-Pfirsich farbenes einfaches T-Shirt mit einem kleinen Berlin-Logo und gezeichneter Laterne drauf. Ganz sweet und passt wie angegossen. Das werde ich selbstverständlich stolz tragen, wenn ich da mal wieder hinfahre!
Sehr cool, dass Du in Berlin halt gemacht hast und auch tolle fotografische Eindrücke. Ich war in 2007 während eines Roadtrips auch einmal fast dort. Jetzt muss ich das auf jeden Fall nachholen! Welches T-Shirt ist es denn geworden? Der Song ist ein echter Ohrwurm! LG Synke
Vor einigen Jahren habe ich meinen Job an den Nagel gehängt um zu reisen. Über 90 Länder habe ich bisher gesehen. Schau dich um und lass dich inspirieren!
Hi Synke, ich habe es gerade nicht dabei (bin gestern auf Barbados angekommen) – es ist ein typisch Berlin-Maryland-Pfirsich farbenes einfaches T-Shirt mit einem kleinen Berlin-Logo und gezeichneter Laterne drauf. Ganz sweet und passt wie angegossen. Das werde ich selbstverständlich stolz tragen, wenn ich da mal wieder hinfahre!
Es sieht ungefähr so aus, nur eben mit anderen Farben:
https://www.facebook.com/VictorianCharm/photos/pb.100644876644009.-2207520000.1406895240./674467275928430/?type=3&theater
LG
Angie
Sehr cool, dass Du in Berlin halt gemacht hast und auch tolle fotografische Eindrücke. Ich war in 2007 während eines Roadtrips auch einmal fast dort. Jetzt muss ich das auf jeden Fall nachholen! Welches T-Shirt ist es denn geworden? Der Song ist ein echter Ohrwurm!
LG Synke
irgendwann fahre ich diese Ecken auch noch mal ab, die du so schön beschrieben hast die letzten Tage. Danke dafür.
Ja, das solltest du! Ist ein kleines Träumchen in Tüten! Grüß mir die Berliner da! 😀