Ich bin neidisch auf meinen Guide Jerry. Quietschend stapft er vor mir her. Er nimmt jede Pfütze mit Gleichmut – kann er auch. Er trägt nämlich Gummistiefel, der Profi. In Hangzhou in China regnet es in Strömen. Ich hingegen fühle langsam die Nässe und Kälte an meinen Strümpfen, denn ich Dummerchen trage nur sommerliche Chucks und mein Regenschirm ist auch schon geknickt.
Klitschnass erreichen wir den Lingyin Tempel in Hangzhou. Mein Guide Jerry meint, ich könnte ja für gutes Wetter beten. Wenn der wüsste, dass ich nicht gläubig bin. Aber ich zünde ein paar Räucherstäbchen an und hoffe auf Erbarmen.
Beim Eintreten in einen der Tempel kommt mir die Idee. Wäre doch gelacht, wenn mir mein Hotel nicht helfen könnte.
Wir fahren also zurück und ich betrete wie ein nasser Pudel die Lobby von meiner bescheidenen Hütte, dem Four Seasons Hangzhou. Ein paar Erklärungen und der mitleidige Blick der Empfansgdame auf meine durchweichten Schuhe reichen. Wenige Minuten später – die Wartezeit mit einem heißen Tee überbrückt – bekomme ich Leihgummistiefel vom Gärtner des Hauses. Sie sind zwar zwei Nummern zu groß, aber ich weiß, sie werden meine Gesundheit retten. DAS, werte Reisefreunde, ist Fünf-Sterne Service!
Jetzt quietsche ich also Jerry hinterher. Wir hören uns an wie zwei meckernde Enten. Überhaupt: Jerry. Er hat eine irrwitzige Geschichte. Alle möglichen Jobs hat er schon hinter sich. Und als die Amerikaner kamen, hat er sich selber Englisch beigebracht. Heute spricht er mit Amerikanischen Akzent. Fließend. Mit seinem Taxi- und Guideunternehmen hat er es zu Wohlstand gebracht. Und auf seinem Amaturenbrett liegt immer noch das rote Parteibuch. Das hilft ihm bei Verkehrskontrollen.
Jerry bringt mich zu allen Sehenswürdigkeiten der Stadt, deren Schönheit nur wage durch den Regen erkennbar ist. Ich ahne, dass es hier bei Sonnenschein unerträglich zauberhaft sein muss.
Die nahen Teefelder haben Hangzhou reich gemacht. So besuchen wir einen Millionär, dem man seinen Reichtum allerdings nicht ansieht. In zerfetzten Hosen steht er vor uns. Seine Zähne sind gefärbt, ob vom Tee oder vom Rauchen kann ich nicht genau sagen. Aber: sein grüner Tee ist wahres Gold wert. Wir trinken nur den normalen Schnitt. 100 Grammkosten “nur” 20 US-Dollar. Der Tee schmeckt köstlich – und er wärmt.
Am Kaiserkanal wird der Regen stärker und wir flüchten passenderweise in das Schirmmuseum, das zu meinem Erstaunen tatsächlich einen Besuch wert ist – so schön sind die ausgestellten Figuren und Schirme. Jerry zieht mich weiter, fröhlich plaudernd als ob nichts gewesen wäre. Ich ahne: er hat irgendwas vor. Direkt neben an ist eine Handwerkshalle. Künstler arbeiten hier und zeigen Besuchern ihre Werke. Und genau vor einem der besten Papierschnitzern des Landes bleiben wir stehen. Ein chinesischer Wortwechsel folgt, ich habe keine Ahnung, was passiert. Nach wenigen Minuten aber weiß ich Bescheid. Der feine ältere Herr gibt mir ein Geschenk. Es ist ein Schmetterling.
Als ich später in der 4qm großen Wanne im Spa des Hotels liege und über meine zu Ende gehende China-Reise nachdenke, kommt mir alles wie ein Traum vor.
Das war ein perfekter erster Besuch im Reich der untergehenden Sonne. Wie immer war alles anders, viel schöner als erhofft, wie immer haben mich die Menschen positiv überracht, das Essen war noch besser als vermutet. Und wie immer frage ich mich, ob die CIA vom Four Seasons gelernt hat, die wissen nämlich alles über mich. Dass mir Schmetterlinge so viel bedeuten und sogar, dass ich manchmal Gummistiefel brauche.
Danke.
Auf meine Reise nach China hat mich das Four Seasons eingeladen. Tausend Dank!
Vor über vier Jahren habe ich meinen Job an den Nagel gehängt um zu reisen. Über 80 Länder habe ich bisher gesehen. Schau dich um und lass dich inspirieren!
Tolle Fotos und eine schöne Geschichte! Mit jedem weiteren Artikel machst Du mir noch mehr Lust auf China!
Danke Marco – und ja, du musst nach China, ich habe ja auch nicht wirklich viel gesehen – aber ich bin jetzt voll angefixt! 🙂 Knootsh, Angie
Tolle Bilder =). Der Artikel ist natürlich auch toll aber die Bilder sind wirklich schön.
Danke Marvin! 🙂