“Wenn du in Fairbanks bist, fährst du an der Ampel rechts ab, dann an der T-Kreuzung wieder rechts und dann drei Kilometer bis zur Farm mit der großen roten Scheune.” Das ist die Wegbeschreibung, die ich habe. Eigentlich war diese Fahrt gar nicht engeplant. Direkt nach St. Louis wollte ich direkt nach Des Moines in Iowa fahren. Aber das ist das schöne am Alleinreisen: man kann flexibel bleiben. Lee Wolen, der Chefkoch vom The Pensinsula Hotel Chicago, hatte mir den Tipp gegeben. Wenn ich über das Gute Amerika schreiben wolle, dann müsse ich die Spence Farm in Illinois besuchen. “Was die da machen grenzt an ein Wunder.”
Ich biege an der T-Kreuzung ab und folge dem kleinen Weg durch die Felder. So stellt man sich das Amerikanische Landleben vor. Idyllisch. Der nächste Nachbar meilenweit entfernt. Mais und Sojabohnen biegen sich rechts und links im Wind – wie so oft in Amerika. Und wie meistens sind die Pflanzen genmanipuliert. Die rote Scheune sticht heraus.
Welcome to the Spence Farm. Ein altes Holz-Haus, herrschaftlich. Im Vorgarten stehen Obstbäume, voll mit Äpfeln, klein und rot. Hühner laufen herum und Schmetterlinge fliegen. Es ist ein wunderbarer Spätsommertag.
Ich sehe aber niemanden und klopfe an die Tür. Es dauert lange, bis ein junger Mann öffnet. Es ist Will, der Sohn des Bauern. “Da bist du ja, komm rein!”. Sein Vater Marty und dessen Frau Kris stehen in der Küche. Es ist 12 Uhr, sie haben längst gegessen, denn ihr Tag beginnt früh und endet früh.
Seit 180 Jahren (nach amerikanischer Zeitrechnung also eine echte Ewigkeit) ist die Farm in Familienbesitz. Aber erst vor wenigen Jahren übernahm Marty den Hof und änderte alles. Auch hier wurde jahrelang Genamipuliertes angebaut. Ein ganz normaler Bauernhof also. Marty wollte das ändern. Er wusste, es gäbe auch Abnehmer für gutes Essen, frei von Zusätzen, unbehandelt. Und er wusste es würde mehr Arbeit bedeuten, aber eben auch: es würde besser schmecken.
Nach Jahren harter Arbeit hat sich seine Vision ausbezahlt. Die Spence Farm und andere Höfe der Gegend beliefern mittlerweile etliche innovative Restaurants in Chicago. Solche wie das Lula, in dem ich in Chicago gegessen hatte. “Farm to Table” heißt das Konzept, es kommen nur regionalen und saisonale Gerichte auf den Tisch, die Zutaten stammen von Bauern aus der Region. Einmal die Woche fährt Marty mit seinem Truck in die Großstadt, beladen mit all dem Gemüse und Obst, dass die Chefs bei ihm und seinen Bauerkollegen bestellt haben. Und weil die Farm komplett nachhaltig ist, wird der Lieferwagen mit Ölresten aus den Restaurants betankt. “Wir sind eine große Familie” erzählt mir Marty. “Wir glauben alle an das Gute”.
Die Familie zeigt mir ihre Schätze. Große Felder haben sie, allesamt nicht manipuliert. Und Vieh, dass frei herum läuft und sich gut ernähren kann. Hinterm Haus gehen wir zu einem großen Gemüsebeet, reich gefüllt. An den unterschiedlichen Tomatensorten hängen dicke Würmer. Sie werden von Hand entfernt. “Harte Arbeit” sagt mir Kris. “Aber es lohnt sich. Probier welche!”. Ich probiere. Und möchte nicht wieder aufhören. Ein Geschmack, wie ich ihn aus meiner Kindheit kenne, von Omas Tomaten. Sie schmecken nach: Tomaten. Süß und saftig. So wie es sein soll.
Aus der frühen Idee ist mittlerweile eine Stiftung geworden. Schulklassen kommen vorbei und lernen, wie ein richtiger Bauernhof funktioniert und woher gutes Essen kommt. Und auch Köche werden hier weitergebildet. Urlauber können vorbei kommen und sich den Vorzeigehof ansehen. Tourismus wie ich ihn mag.
Und als ich frage, wie es um die Zukunft des Hofs steht schmunzelt der junge Kris. “Ich werde meiner Freundin einen Heiratsantrag machen. Nichts Spektakuläres allerdings, nichts was auf Youtube gepostet werden kann” und schaut etwas verlegen zu Boden. “Aber wir beide werden dann irgendwann den Hof übernehmen und ihn weiterführen.”
Ich bleibe bis zum Sonnenuntergang. Am liebsten wäre ich gleich ein paar Tage geblieben. Aber irgendwann muss ich weiter. Ich packe ein paar der kleinen Äpfel ein. Marty sagt mir, wenn ich Lust auf ein Eis hätte, dann solle ich einfach wieder zur T-Kreuzung fahren. Dort gäbe es einen Hofladen eines befreundeten Bauern. Nach meiner Verabschiedung halte ich dort. Im Laden, in dem es große Kühltruhen mit Bio-Fleisch, Milch, Käse, Eier, Brot und eben auch Eis gibt, ist niemand zu sehen. Ich rufe. Aber es kommt niemand. Und dann entdecke ich ein kleines Schild. “Help yourself and write down what you took. Please leave the money in the box.” Ich kaufe für insgesamt 40 Dollar ein und schreibe meine Einkäufe wie gewünscht in ein kleines Heftchen. In der Box liegen schon etwa 50 Dollar. So viel Vertrauen gibt es wohl nur, wenn man im Einklang ist mit sich, seinen Mitmenschen und der Natur. Amerikanische Landliebe eben. Sehr gut!
Liebe Gigi, so kenne ich das auch, von Upstate New York, Pennsylvania – aber auch aus unserer Heimat wo ich den ein oder anderen Hofland einsam verlassen habe nachdem ich ein paar Euro in einem Einmachglas hinterlegt habe. Das pure Landleben kann überall so herrlich unkompliziert sein. LG, deine Sis.
Du solltest hier ruhig öfter kommentieren 🙂 Ja, es gibt Hoffnung für die USA, bei uns ist das ja viel gängiger. Vor allem bei uns zu Hause! Küsse, deine Sis
Vor einigen Jahren habe ich meinen Job an den Nagel gehängt um zu reisen. Über 90 Länder habe ich bisher gesehen. Schau dich um und lass dich inspirieren!
Liebe Gigi, so kenne ich das auch, von Upstate New York, Pennsylvania – aber auch aus unserer Heimat wo ich den ein oder anderen Hofland einsam verlassen habe nachdem ich ein paar Euro in einem Einmachglas hinterlegt habe. Das pure Landleben kann überall so herrlich unkompliziert sein. LG, deine Sis.
Du solltest hier ruhig öfter kommentieren 🙂
Ja, es gibt Hoffnung für die USA, bei uns ist das ja viel gängiger. Vor allem bei uns zu Hause!
Küsse, deine Sis