Mir gegenüber steht Frau Padrun. Weiße Haare, weißer Kittel und ein gutmütiges Lächeln auf dem Gesicht, dass mein Herz wärmt. Ich schätze sie auf etwa 80 Jahre, traue mich aber nicht zu fragen. Sie war gerade dabei zwei Heidelbeerkuchen zuzubereiten, als ich unangemeldet in ihre Küche platze. Ein Klassiker in ihrem kleinen Gasthaus. Im winzige Örtchen Fex im Engadin glitzert der Schnee von den Wiesen und Bergen und die Vögel singen. Es ist mein letzter Tag und endlich knallt die Sonne vom Himmel. Eine Idylle. Ich war mit einer Pferdekutsche hier eben angekommen. Frau Padrun betreibt ihren kleinen Gasthof seit 43 Jahren und steht jeden Tag von früh morgens bis spät abends in der Küche. Sie backt und kocht alles selber. Und das hält sie jung. Ich finde, das sieht man.
Einen Tag zuvor war ich angereist. Flug nach Zürich und dann mit der Bahn durch -pardon my French – zum Kotzen schöne Landschaften. Ganz langsam hatte sich der Zug durch die Berge nach oben geschraubt. Immer weißer wurde die Landschaft, durch mehr und mehr Tunnel zuckelten die Wagons und selbst ich, die mit Bergen eher wenig am Hut hat kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. St. Moritz war meine Endstation. Es ist winzig. Gerade mal 5000 ständige Einwohner zählt der Ort.
Außer einem Rolls Royce, der vor einem der 5-Sterne Häuser stand und etlichen Gucci-Prada-Hermes und Co Läden aber sah ich weder pelzbehangene Damen, noch welche mit frisch operierten Nasen oder aufgespritzten Lippen. Denn genau so hatte ich mir das hier vorgestellt. Aber Fehlanzeige. Das liegt sicherlich auch an der Nebensaison, in der ich hier angekommen war. Ruhige, fast leere Straßen. Kaum Touristen. Beschaulich.
Es gab sogar Platz im Traditionshaus Henselmann – einem richtigen Oma Café mit angeschlossener Bäckerei und Konditorei – hier wird noch alles im ersten Stock handgefertigt. Die Deko und die Inneneinrichtung sind von anno dazumal und können als praktisch beschrieben werden. Aber gerade weil das alles so herrlich unschick war, hat es mir besonders gut gefallen. Ich dachte: Und das ist das berühmte Sankt Moritz? Das aus „Exclusiv“ und wie die ganzen Schrottsendungen im Fernsehen so heißen? Das fand ich einfach nicht. Klar, die Preise sind hoch. Für eine Pizza kann man hier locker 40 Schweizer Franken hinblättern. Oder auch eben nicht. Man muss nur wissen wo man günstiger essen kann. Zum Beispiel bei Frau Padrun.
Oder eben da, wo ich ein paar Nächte unterkomme. Im Nira Alpina. Das liegt ein Dörfchen weiter im kleinen Nest Surlej, fünf Kilometer von St. Moritz entfernt. Hoch oben und direkt gegenüber einer Seilbahn hoch auf den Corvatsch-Berg. Beim Eintreten werde ich als erstes von einem überdimensionierten schwarzen Plastikpferd begrüßt. Mit Lampe auf dem Kopf. Und muss als allererstes laut lachen. Links ein gemütliches Bistro und oben eine kuschelige Bibliothek. Da hat jemand Geschmack. Von der Empfangsdame höre ich, dass das Pferd das Lieblingsstück des Besitzers ist. Guter Mann.
Ich habe ein großes und schön eingerichtetes Gartenzimmer und vor meiner kleinen Terrasse türmen sich meterhoch – besser gesagt 1,63m hoch, genauso so groß wie ich – die Schneemassen auf. Darüber hinweg blicke ich auf den Silvaplanasee und die Berge, die gigantisch hoch sind, von hier aber kleiner erscheinen. „Das liegt daran, dass man immer vergisst, dass wir hier schon auf 1800m Höhe sind“ erklärt mit der Maitre D’Hotel mit dem wohl lustigsten Namen der Welt: Edward Toogood. Ja, wie „Too good to be true“.
Ein waschechter Brite, den man dies aber mit keiner Silbe anhört. Sein Deutsch ist perfekt. Too good to be true. Er wacht hier über die Hotel-Restaurants im Nira Alpina und erscheint mir wie die Seele des Hauses. Im 5. Stock im „Stars“ esse morgens gesundes Frühstück und abends asiatisches Cross Over und kann mich nicht satt sehen an den Blick, den man von hier oben auf das Tal und die Berge hat. Göttlich. Wenn der Abend einbricht, fangen die Berge an zu leuchten. Sie reflektieren das Mondlicht und sehen atemberaubend aus. Nach dem Essen verkrümele ich mich in die Rooftop Bar gleich neben dem Restaurant, auf schwere gemütliche Sofas und starre in das flackernde Kaminfeuer. Ist das romantisch! Wenn ich mehr Zeit hier gehabt hätte, dann wäre dies mein bevorzugter Ort für stundenlanges Lesen gewesen.Wenig später aber schlafe ich wie ein Baby in meinem großen Bett und am nächsten Tag passt es sehr gut, dass mich das Hotel auf eine Spa Behandlung eingeladen hat. Denn das Nira Alpina ist ein ausdrückliches Spa-Hotel. Nach meinem Trip in die Schweiz werde ich nämlich etliche Stunden bewegungslos im Flieger sitzen, auf dem Weg in meinen eigenen Urlaub.
Vorm Eingang zum Spa steht Stelios, einer der Spa-Therapeuten im Nira Alpina. Im umfangreichen Programm hatte ich mir eine Massage-Anwendung herausgesucht, bei der Kristalle zur Therapie benutzt werden. Aber nach einem kurzen Gespräch kann mich Stelios zu einer Freestyle-Massage überreden. Die würde eben besser zu meinen Bedürfnissen (ständige Rückenschmerzen, dem ewigen Koffer- und schwere Techniktasche-Schleppen auf meinen Reisen sei Dank) passen. Recht hat er gehabt. Denn ehrlich gesagt glaube ich nicht so richtig an den Kristall-Quatsch. Also dämmerte ich auf der Liege unter heißen Steinen, Öl- und Rückenmassagen und unter den kräftigen Händen des Griechen vor mich hin. Ein herrliches Highlight.
Überhaupt, wäre ich Skifahrer gewesen (wie hier sonst alle außer mir), dann wäre das Nira Alpina wohl der noch idealere Ort für mich gewesen. Vom Hotel gelangt man direkt in die Bahn auf den Berg, es gibt einen Skiraum, in dem man seine Klamotten lassen kann und im Spa-Bereich kann man sich mit Blick auf die Piste vom Sport entspannen. Das scheinen hier auch alle so zu machen und mal wieder komme ich mir recht unsportlich vor. Aber auch für Fans der guten Küche oder fauleren Gästen wie mir wird hier einiges geboten: Denn das Haus hat gleich drei Restaurants. Und auch Backkurse in der hauseigenen Bäckerei. Ich hatte auch einen auf meiner To-Do Liste, aber durch die frische Bergluft und die Massage am Vortag habe ich den zugegebenermaßen komplett verpennt. So tiefenentspannt war ich. Ist mir auch noch nie passiert!
Gern würde ich hier nochmal im Sommer vorbei schauen, wenn die Seen kristallklar sind und tiefblau schimmern. Und wenn die Wiesen auf dem Weg nach Fex in allen Farben blühen. Und dann frage ich, ob ich bei Frau Padrun mal einen Tag in der Küche Spion sein darf, denn ich glaube, die Dame hätte mir viel zu erzählen.
Vielen Dank an das Nira Alpina, das mich auf diesen Aufenthalt eingeladen hat. Danke auch an die Mitarbeiter von der Tourismusorganisation Engadin St. Moritz für die freundliche Unterstützung. Meine Anreise mit Flug und Bahn wurde von Schweiz Tourismus übernommen. Besten Dank dafür!
Vor einigen Jahren habe ich meinen Job an den Nagel gehängt um zu reisen. Über 90 Länder habe ich bisher gesehen. Schau dich um und lass dich inspirieren!