Es ist 7 Uhr in der Früh. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, kündigt sich aber durch die blaue Stunde schon wage am Horizont an. Der weiße Schnee knirscht unter meinen Schuhen. Mir ist kalt und ich bin saumüde. Und gleich, das weiß ich jetzt schon, werde ich schwitzen. Und das tue ich dann auch. Gefühlte Ewigkeiten. Ich schleppe mich untrainiertes Ding einen steilen Berg hoch. Watschele mit Schneeschuhen über eine 70 cm hohe Schneedecke. Der Berg heißt Lacke und befindet sich in Tirol am Mieminger Plateau. Und dann habe ich es endlich geschafft und stehe auf 1704m Höhe und starre ins Tal. Da hinten geht die Sonne auf, über den mit Schnee bedeckten Bergen. Und ich denke: “Bob Ross”* war hier. Mei, ist des schee. Romantisch. Majestätisch. Von rechts wird mir ein Flachmann mit Schnaps und dazu ein Stück Schokolade gereicht. Wenn mich jetzt noch jemand küssen würde, wäre alles perfekt. Aber die Schoki und der Schnaps sind auch erstmal okay.
Der Abstieg mit den Schneeschuhen ist nicht minder unanstrengend, aber mein Guide Rene macht mir Mut. Ich solle große Schritte machen und leichtfüssig hinunter gehen. So wie im richtigen Leben, dann kommt man schon weiter. Welch Urvertrauen. Schön. Morgen werde ich trotzdem argen Muskelkater haben, und auch öfter mal wieder im Leben stolpern, so viel steht fest.
Rene führt in Obsteig das Familien-Landhotel Stern nahe Innsbruck. Er sei kein Hotellier, er sei Wirt – darauf besteht er. Bescheidenheit ist sein Ding und sie steht ihm gut. Ein großes schönes Haus, das ideal für Familien mit Kindern ist – aber vor allem für Touristen, die grün reisen wollen. Das Hotel bietet nämlich etwas, was nur wenige haben: es ist besonders nachhaltig, umweltschonend und klimaneutral. Das merkt man nur auf den zweiten Blick und das gefällt mir besonders gut. Wenn man die Bemühungen um Nachhaltigkeit zu sehr sieht und dabei an pampiges Gemüse oder kratziges Klopapier denkt, dann bin ich raus. Aber hier ist das völlig anders.
Hier ist Nachhaltigkeit schön, gemütlich und lecker. Bei einem Glas köstlichen Wein nach einem regionalen, schmackhaften Abendessen erklärt mir Rene sein Konzept. Der ganze Betrieb wurde umgestellt und analysiert. Wo kann man Energie einsparen, was macht keinen Sinn? Wie kann man -ohne etwas zu erzwingen oder zu nerven- die Gäste in das Konzept einbeziehen? So dass alle ihren Urlaub genießen und ihren Spaß haben – aber dennoch etwas Gutes tun können? Und wie kann man kompensieren, was man aus eigener Kraft nicht schafft?
Die Lösungen für die Gäste sind recht einfach und schlau. Die Produkte kommen zum großen Teil von Bauern aus der Umgebung, auf den Tisch kommt Leitungswasser, das hat Quellwasserqualität und kostet nichts. Kinder werden animiert statt einer Süßigkeit mal lieber den Apfel vom Bauern nebenan zu naschen. Auch hier kann man sich entscheiden, einfach mal die Handtücher ein zweites mal nutzen oder gar auf den Fernseher verzichten. Für mich alles kein Problem. Als Familie kann man im Sommer auch mal eine Nacht in einem Heuschober verbringen. Das nennt sich hier Heu Schnarch’n.
Wer Lust hat, kann zur Erntezeit an einer Mundraubtour mitmachen und Früchte und Kräuter selbst pflücken oder abends das “Eardige Menü” wählen, dass ohne Fleisch auskommt, saisonal und regional zubereitet wird. Und der Rest an Emissionen, der noch kompensiert werden muss, wird vom Hotel durch eine Spende beim WWF und seinem Regenwaldprojekt in Südlaos ausgeglichen. Eine faire Sache. Ziel für Rene ist es aber, sein Hotel irgendwann komplett nachhaltig zu bewirtschaften.
Ausflüge werden ebenfalls klimaneutral und nah arrangiert. Einen Besuch ist zum Beispiel die Steindrucker-Familie Stecher (ja, der heißt wirklich so!) wert. Der Vater (81) und sein frisch pensionierte Sohn gehören zu den Letzten ihres Handwerks. In mühevoller und anstrengender Kleinarbeit drucken sie mit Hilfe von Steinplatten und lassen so einzigartige Kunstwerke entstehen. Und jeder sympathische Gast, der die kleine Werkstatt besucht hat, wird danach auf ein Schnäpschen und zu einer Jause mit Brot, Speck, Käse und Wein eingeladen. Ganz egal ob er etwas kauft oder nicht. Das nennt sich Tiroler Gastfreundschaft, ist toll und kommt vom Herzen!
Beim Konzept vom Familien-Landhotel Stern ist es vor allem die lokale Umwelt, die hier geschont wird. Als der Alpine Skiwahn in den 80er Jahren seinen Höhepunkt hatte, wollte jedes Dorf seinen Skilift. Auch Obsteig. Er wurde gebaut. Und irgendwann nicht mehr benötigt, weil neue Trends verschlafen wurden. Nun ist er abgebaut – im Nachhinein zum Glück für den Ort, der nun angenehm ruhig und nicht überlaufen ist, wie sonst so viele Orte in Tirol. Heute kann man hier anderen, schonenderen Winter-Sportarten nachgehen. Eben nachhaltiger.
Die Pisten müssen mit Schneeschuhen oder per Skitour erklommern werden bevor es wieder auf Skiern bergab geht. (Darum gibt es hier auf eigentlich nur durchtrainierte Menschen zu sehen). Oder man rodelt einfach hinunter, wie ich an dem frühen Morgen. Mann, was für eine Gaudi. Man kann auch seine Tour mit einem weiteren kundigen Guide kombinieren – in meinem Fall kam Clemens, ein lustiger Biologie, Ornithologe und Begründers des Alpinparks hinzu, der uns während unseres Aufstiegs über die örtlichen Vögel und Naturwunder unterrichtet hat.
Nah am Ort sind unzählige Langlaufmöglichkeiten, ein Bauer am Ort bietet zum Beispiel Schlittenausflüge mit wunderschöne Haflingerpferden an.
Das Hotel selber hat eine schöne Sauna (mit riesen Ruhe-Schaukel und Blick auf die imposanten Berge) und eine ausgeklügelte Kinderbetreuung, so dass die Eltern auch mal einen Tag alleine auf die Piste gehen oder zum Wellness verschwinden können.
Und wenn man dann in die vom Kachelofen gewärmte gemütliche Stube kommt und irgendjemand einen Schnaps auspackt dann weiß man, dass nachhaltig zunächst mal für einen selber gut ist: nämlich für die Seele und für’s Zufriedensein. Huamelig heißt das hier. Das kann auch daran liegen, dass mal ein paar Leute aus dem Dorf abends vorbei kommen. Und man das Kartenspiel Watten erklärt bekommt (ich hab’s nicht kapiert!). Denn eines haben sie hier alle drauf auch ohne Zertifikat und Analyse: das ist Nachhaltigkeit im Herzen. Wer zufrieden ist – und das können hier viele Dank der großartigen Natur und ihrer intakten Familien sein, der kann mehr geben als nur ein aufgesetztes Lächeln.
So wie Renes Oma Adele. Sie ist stolze 91 Jahre alt, lebt im Haus und ist unverzichtbar. Nicht nur wegen ihres preisverdächtigen Apfelstrudels (Rene sagt, er sei der weltbeste, deswegen gibt es ihr Originalrezept auch HIER nachzulesen), sondern auch weil sie den Laden trotz ihres hohen Alters zusammen hält. Genau wie ihr Sohn, Renes Vater der hier liebevoll Dorfpapa genannt, weil er Bürgermeister ist. Und dabei einen grauen Pferdeschwanz und einen Undercut trägt. Er hilft immer noch hinter der Theke, sein Sohn Rene muss ja auch mal für wiederum seinen eigenen Sprössling Moritz da sein. Ja, auch das ist Tirol. Alles viel cooler, freundlicher, herziger und schöner als ich dachte. Aber a richt’ges Skihaserl werde ich trotzdem nicht. Ich komme aber gern noch mal im Sommer wieder. Soll ja hier dann auch sehr schön sein.
Mehr Informationen zum Familien-Landhotel Stern hier und noch mehr winterliche Fotos aus Obsteig hier!
* Echt? Ihr kennt Bob Ross nicht? Dann schaut mal hier!
Ein wirklich sehr schönes Landhotel. Für Familien mit Kids ist es sehr hilfreich, solche nützliche Tipps im Netz zu finden. Es ist sicherlich hier auch im Sommer sehr schön. Die Webseite wird auf alle Fälle gleich abgespeichert. Danke!
Das Bild mit dem Graichertem war zuviel. 😀 Gott hab ich das schon lange nicht mehr gegessen. Eine Schande eigentlich. Muss ich morgen gleich in die Metzgerei gehen.