Meine letzten Tage in Vietnam haben begonnen. Ich sitze im Flieger nach Saigon oder Ho Chi Minh City wie die Stadt seit der Wiedervereinigung von Vietnam heißt. Ich mag aber den Klang von Saigon lieber. Die Zugfahrt hatte ich ja nach meinen ersten Erlebnissen auf dem Weg von Hanoi nach Hoi An gestrichen – und mir einen schnelleren Transport gebucht, weil ich ne Memme bin :-).
Ich komme abends im Mövenpick Hotel Saigon an und schaffe es gerade noch mir um die Ecke eine Nudelsuppe zu gönnen und dann ins Bett zu fallen. Reiseplatt und ziemlich erschöpft fallen mir früh die Augen zu. Auch deshalb beschließe ich, den nächsten Morgen ausnahmsweise am Pool zu verbringen – natürlich mit Laptop. Allerdings wird es mir schnell zu heiß – es sind ca. 35 Grad und ich mache mich fertig, um die Stadt zu erkunden. Ich habe aus Schlappheit kaum große Erwartungen und noch keine Ahnung, wie viel Kraft mir die Begegnungen des Tages später geben würden.
Es ist Sonntag und ich lasse mich vom Taxifahrer zur „Lunch Lady“ bringen. Eine kleine Frau, die den ganzen Tag im Pyjama hinter ihrer kleinen Kochstation steht und jeden Tag auf’s neue köstliche Suppen mit frischen Zutaten kredenzt. Ihr Lachen ist schon mal die halbe Miete. Und der Geschmack ihrer Sonntagssuppe die andere… Es ist köstlich.
Mit diesem Frühstück/Mittagessen im Magen gehe ich weiter durch die Hitze und finde Schatten im nahegelegenen Zoo, in dem Horden von Familien ihren Sonntag verbringen. An einer Reihe offener Zelte bleibe ich stehen und werde freundlich und interessiert von einer Mutter und ihrem Kind angelächelt. Das Mädchen bemalt ganz konzentriert eine kleine Porzellan Figur und die Mutter fasst sich ein Herz und spricht mich an. Ich hocke mich zu ihnen und wir plaudern. B. Minh heißt die Mutter, Minh ihre Tochter. Wir reden über Deutschland, denn B. Minh hat einst für eine deutsche Firma in Saigon gearbeitet. Sie ist ganz fasziniert, dass ich alleine durch Asien reise. Ihre Tochter wartet schon ganz gespannt auf die Pokemon Geburtstagsfeier, die wenig später im Park stattfinden soll – und schon zeigt die Kleine mir ihr Pokemon Sammelalbum. Ich freue mich über so viel Zuvertrauen und wir tauschen unsere Kontakte aus.
Die Show beginnt und ich ziehe weiter um mir die Sehenswürdigkeiten der Stadt anzusehen. Vor dem alten Postoffice der Stadt will ich die Straße zur „Notre Dame“ von Saigon überqueren als ich einen jungen uniformierten Mann treffe, der mir wie allen Touristen über die Straßen helfen möchte. Das ist hier ein richtiger Job und nennt sich Touristenpolizist. Obwohl der Verkehr in Saigon weit weniger gefährlich als der in Hanoi ist. Denn hier halten die Autos tatsächlich fast immer an roten Ampeln und man kann eigentlich ganz sicher die breiten Straßen überqueren. Er hilft mir trotzdem und ich höre ihn dabei leise ein Lied singen. Er hat eine wirklich schöne Stimme und als wir die Straße überquert haben, sage ich ihm das auch. Hang Van Tri ist sein Name. Er ist etwas verlegen und schaut betreten zu Boden. Ich bitte ihn trotzdem, mir ein Lied für meine Kamera zu singen und nach einiger Überzeugungsarbeit fängt er an zu singen. Aber seht selbst:
Vier Lieder hat er mir gesungen, vietnamesische und japanische – allesamt voller Romantik und Schmalz, aber wunderschön. Das Singen, sagt er, halte ihn vom Alleinsein ab. Wir seufzen beide. Und dann kommen neue hilfsbedürftige Touristen, die über die Straße gebracht werden wollen. Ich für meinen Teil gehe weiter die Straßen entlang, mal wieder auf der Suche nach besonderen Momenten und Menschen, die mir begegnen. Und nur wenige Straße weiter schickt mir der Zufallsgott jemanden, den ich wohl mein Leben lang nicht mehr vergessen werde und der mich sehr warm um’s Herz werden lässt.
Ich stehe wieder an einer Ampel, an einer sehr kleinen Straße, als ich die kleine, alte Frau neben mir bemerke. Sie mag vielleicht Mitte Achtzig, vielleicht auch schon viel älter sein. Wir schauen uns an, sie zeigt auf mich und die Ampel. Sie will wohl wissen, ob ich auf die andere Straßenseite möchte. Ich nicke. Und dann nimmt sie einfach meine Hand! Einfach so. Sie hält sie ganz fest und beobachtet wie ein Adler genau den recht ruhigen Verkehr – und mir wird ganz wohlig und anders. Ist das schön! Ich muss breit grinsen. Die Autos haben rot, die Fußgänger Ampel springt auf grün um. Weit und breit kein Verkehrssünder zu sehen, der uns hätte umnieten können. Aber mit stoischer Sicherheit und all ihrer Kraft zieht mich die alte Frau über die Straße und ich folge ihr. Sie hat einen Auftrag zu erfüllen. 🙂 Vielleicht zehn Meter, dann sind wir auf der anderen Seite. Seufz. Ich bedanke mich artig und laufe fortan mit einem atomaren Grinsen durch Saigon, weil mich das so berührt hat.
Und da weiß ich, dass es einfach nicht besser werden kann. Ich habe wirklich die schönsten Seiten von Vietnam kennengelernt, habe zauberhafte, offene, gastfreundliche und fröhliche Menschen getroffen, die mich an ihrem Leben, ihren Einsichten und Gedanken haben teilwerden lassen. Ich habe sicherlich das beste Essen gegessen und die schönsten Alltagssituationen beobachten können. Mit Vietnam, das weiß ich, bin ich trotzdem noch lange nicht fertig. Mein knapp zehntägiger Aufenthalt war eher ein Appetithäppchen. Ich muss auf jeden Fall noch einmal wiederkommen. Es ist einfach zu schön hier. Cám ơn Vietnam, ich vermisse dich jetzt schon. Herzensreich mache ich mich auf den Weg nach Kambodscha, dem letzten Ziel meiner Mini-Weltreise.
Danke an das Mövenpick Hotel Saigon für die Einladung!
ich liebe diesen beitrag. ich les ihn immer wieder gern, besonders die stelle mit der alten frau, da wirds auch mir warm ums herz.
Danke Markus! :D. Selbst wenn ich dran zurück denke, dann bekomme ich auch manchmal noch Pipi in die Augen! SEUFZ!
<3
Ach, so ein Abschied ist immer schwer – aber wenn man nicht ein bisschen traurig ist, hat es einem ja auch nicht wirklich gefallen. Ich tröste mich auch immer mit dem “Ich muss auf jeden Fall noch einmal wiederkommen.”