Für manche mag der Sound zu laut sein, für mich als Motorradfahrerin ist er Musik in meinen Ohren. Ich sitze auf der Tribüne des San Marino MotoGP in der Emilia Romagna. Der Himmel ist grau, ein enormer Kontrast zu den Motorrädern und den Jungens drauf. Viel von ihnen tragen und fahren die Designs eines Mannes, dessen Werk ich seit über 20 Jahren kenne ohne es zu wissen. Eine rasante Geschichte.
Unter mir knattern die 125-er Motorräder vorbei. Die Rennstrecke ist nass, es regnet. Ab und an rutscht einer der Fahrer aus. Aber es passiert zum Glück nichts dramatisches, obwohl es als Rennfahrer eines Grand Prix sicherlich dramatisch sein muss, danach auf dem Rücksitz eines Rollers ins Fahrerlager gebracht zu werden.
Meine Freiheit auf zwei Rädern
Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, als ich zum ersten Mal auf einem Motorrad saß und selber gefahren bin. Mein Mund verzog sich bis auf die maximale Breite. Ich musste grinsen und konnte nicht mehr aufhören. Mit 16 Jahren hatte ich meinen 80-er Führerschein in der Tasche und musste damit nicht mehr wie alle anderen auf den Bus in mein Heimatdorf warten. Ein unbeschreibliches Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit. Am Tag meines 18. Geburtstags holte ich meinen Auto- und auch den richtigen Motorradführerschein ab. Ein paar Wochen später saß ich auf meinem eigenen Motorrad. Ich war angefixt.
Jahrelang bin ich hauptsächlich auf zwei Rädern unterwegs – und auch heute noch ist das Lächeln ist nicht wirklich kleiner. Als ich als Studentin bei einem Motoradzubehör und Klamotten Laden jobbte, gehörte natürlich auch der Helmverkauf dazu. Manchmal kam eine spezielle Ladung, edel und bunt designt, meistens aus dem Hause Arai, die die besten Helme auf dem Markt hatten, aber auch die teuersten. Dennoch hingen dann alle Blicke, auch die meiner Kollegen, die ein wenig düster nach Motorradgang-Mitglieder aussahen, über den Kartons. Vorsichtig nahmen wir Helme erst aus den Boxen und dann aus den blauen Säcken, in denen sie noch geschützter waren. Nie werde ich den Geruch vergessen, nie die Spannung welches Design dabei war. Es war wie Weihnachten. All das hatte ich komplett vergessen. Nun ja, all das ist auch weit über 20 Jahre her.
Zwei Tage zuvor sind wir zu einer Ausstellung eingeladen. Zugegeben, ich bin schlecht vorbereitet, weiß nur, dass wir einen Helmdesigner namens Aldo Drudi treffen werden. Wir sind im Teatro Galli mitten in Rimini. Links speziell designte Motorradkombis, Anzüge die besonderen Schutz bieten. Rechts knallbunte Ducatis. Und überall Helme. Bunte, auffällig designt. Und da fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Kann es sein, dass ich schon damals genau die Helme dieses Designers verkauft habe?
Aldo Drudi: Wiedersehen macht Freude
Und genau bei diesem Gedanken kommt der Designer Aldo Drudi auf uns zu. Und als ich im von meinem alten Job erzähle – sagte er ja – das seien damals schon seine Designs gewesen, die auf uns alle so eine Faszination ausgeübt haben. Ich fasse es nicht: Die Welt ist ein Dorf. Aldo freut sich wie Bolle, ich mich auch. Eine angenehme Ruhe geht vom ihm aus, er ist gelassen und wirkt großzügig. Ein gebildeter Mann, mit dem Herzen am echten Fleck.
Ich werde aus den Gedanken gerissen, denn die Zuschauer auf der Tribüne werden unruhig. Ein Kampfjet donnert einmal über unsere Köpfe hinweg. Der Schall ist so stark, dass der Espresso vor mir wackeln.
Aldo Drudi ist der bekannteste Designer der Motorradszene – ein echter Star. Mehrfach wird unser Gespräch in der Ausstellung von Fans oder alten Bekannten unterbrochen, sie bitten um ein Foto, ein Autogramm oder schnacken eine Runde mit ihm. Immer lächelnd kommt er den Wünschen nach. Aldo kommt aus dem Motor Valley, wie die Gegend hier in der Emilia Romagna heißt. Und wie ich wollte er als Jugendlicher ein Motorrad um der Enge seines Dorfes zu entfliehen. Im Gegensatz zu mir aber baute er sich einfach eins. Sein bester Kumpel half ihm dabei – der ist übrigens mittlerweile einer der Chef-Mechaniker der Motorrad WM.
Schon seit früher Kindheit ist er fasziniert von der Welt der schnellen Bikes, dass er sie mal designen würde hätte er damals nicht gedacht. „Mein Vater nahm mich mit zu Rennen. Es war sehr laut und roch nach Benzin. Aber ich war glücklich. Heute ist das alles nicht mehr en vogue. Elektro wird auch bei Motorrädern die Zukunft sein.“ In den 80-er Jahren fing er, einer seiner ersten Kunde war Graziano Ross, Vater der berühmten Valentino Rossi, einer der erfolgreichsten Rennfahrer in der Weltklasse. Die Rossis gehören also zur Familie. „Ich werde immer älter, die Fahrer immer jünger!“
Valentino Rossi lässt sich Jahr für Jahr einen speziellen Helm designen – immer ist es persönlich, immer steh eine Geschichte dahinter. „Die wenigsten Menschen wissen, welche Bedeutung das Design hat. Aber wir geben uns da immer die größte Mühe und sprechen mit den Fahrern um zu verstehen, was ihnen wichtig ist. Der Helm schützt den Kopf – in erster Linie. Manche aber sehen ihn auch als eine Art Glücksbringer.“ sagt Aldo. Ein überraschend Ansatz. Wir vertiefen den Gedanken und er gibt zu, dass es erfrischend ist, mal nicht nur über Motoren und PS zu reden.
Der Star der San Marino MotoGP
Der Kampfjet donnert noch ein letztes Mal über uns hinweg. Gerade als wieder Ruhe einkehrt, wird es aus der Ecke am Eingang wieder etwas lauter. Das Lachen kommt mir bekannt vor. Aldo ist da.
Direkt vor uns ist eine der von ihm designten Kurven, in die sich gerade die jüngsten auf ihren knallbunten 125ern legen. Aber all das scheint die Menschen auf der VIP Tribüne nicht zu interessieren, denn jetzt geht der Design-Meister durch die Menge. Händeschütteln. Schulter klopfen. Anstrahlen. So wird ein Star empfangen. Auch uns entdeckt er – und kommt rüber zu, erklärt uns ein paar Fragen zum Rennen selber und macht Scherze, nimmt sich Zeit. Wie man es dreht und wendet – nicht nur Dank seiner farbigen Designs ist die Motorradwelt seit Jahrzehnten ein Stückchen bunter, sondern auch deutlich herzlicher.
Meine Reise zur San Marino Moto GP und war Teil der Kooperation mit iAmbassador und San Marino Tourist Office. Meine Meinung über Aldo und schnelle Mopeds bleibt davon natürlich wie immer unangetastet. Brummmmmmmm…