Wenn ich könnte, würde ich an meinen Augen die Farbsättigung herunter drehen, denn oft ist der Kontrast zwischen dem Rot der Erde und dem Blau des Himmels einfach zu stark. Außer diesen beiden Farben gibt es hier noch helles Grün, und wenn die Sonne unter- oder aufgeht ein fast schon schreiendes Orange. Lila und Gelb, Mokka und Türkis zeigen sich auch, je nach Laune. Willkommen in Red Centre, im Northern Territory. Mitten in der bunten Wüste, im heiligen Herzen von Australien.
Es sind 340 Kilometer von Alice Springs bis Uluru. Meinen Kopf lehne ich an die Autoscheibe, der Ausblick ist mein Kino für die nächsten Tage. Fast immer werden ähnliche Bilder gezeigt: einsame Landschaften in warmen Farben, die schräg an mir vorbei rasen. Manchmal falle ich in einen meditativen Zustand, dann denke ich zurück an meine erste Begegnung mit Australien. Sie war nicht echt – nur auf dem Papier. Eine Freundin wollte den fernen Kontinent bereisen, hatte aber keinen Schimmer wie. Ich hatte schon damals Spaß am Reiseplanen aber noch gab es kein Internet. Ich lieh mir Bücher und Reiseführer aus und erstellte ihr so eine Route, die sie dann tatsächlich abgereist ist. Etwas über 20 Jahre ist das jetzt her. So lange hat es gebraucht, bis ich diesen schönen Flecken Erde endlich selber sehe.
„Ananguku ngura nyangatja ka puku lpa pitjama“ – Das hier ist Aborigines Land und wir heißen euch willkommen
Uluru, das man früher mal Ayers Rock nannte, ist wohl das Wahrzeichen Australiens. Aber vor allem ist Uluru ein Heiligtum, nicht nur für die Anangu, die Ureinwohner, dessen Stamm hier seit über 10.000 Jahren lebt, dessen Name sich einfach mit „Mensch“ übersetzen lässt. Heilig ist der Inselberg auch für hier eigentlich fremde Menschen – aber solche mit Herz und Hirn. Nicht weil sie den gleichen Glauben wie die Anangu haben, sondern weil sie dessen Glauben respektieren.
Aber es gibt auch andere. Nämlich die, die den Glauben der Anangu nicht respektieren. Sondern ihn im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen treten. Sie besteigen das Heiligtum, obwohl die Anangu sie höflich bitten genau dies NICHT zu tun. Es ist für mich unverständlich, wieso etliche tausend Menschen die Wünsche der Ureinwohner so arrogant ignorieren. Ich schaue nach oben und beobachte sie. In mir brodelt es, ich möchte jeden Einzelnen von ihnen herunterziehen und sie fragen, wo ihr Herz und wo ihr Hirn geblieben ist. Ich bin nicht gläubig, aber ich kann sehr wohl den Glauben anderer respektieren, besonders hier.
Der Sitz der Regenbogenschlange
Das Land wurde den Anangu weggenommen, aus den Händen gerissen. Und zwar genau hier, an ihrem heiligsten Ort. In der Glaubenswelt der Anangu, das als Dreamland bezeichnet wird, ist hier der Sitz der Regenbogenschlange, die ihre allerhöchste Gottheit und auch Urgott des Lebens darstellt. Die Regenbogenschlange ist das Gute – und damit ist Uluru das Gute – und manch Tourist trampelt darauf herum. Viele andere Stellen sind für Touristen eigentlich gesperrt. Aber aus dem Auto heraus beobachten wir immer wieder Leute, die das einfach nicht akzeptieren wollen. Was für eine Schande.
Auch der mit dem Uluru verbundene Kata Tjuṯa, eine Gruppierung mehrerer Felsen und daher als „Viele Köpfe“ benannt, hat etliche heilige Plätze. Denn auch dieser Ort ist ein wesentlicher Bestandteil der Anangu Mythologie und deshalb auch heute noch ein Ort für Rituale in der Gemeinschaft der Australischen Ureinwohner. Als wir uns Kata Tjuta bei einem Sonnenaufgangs-Rundflug mit dem Helikopter nähern, sehen wir immerhin keinen einzigen Touristen, der auf den Felsen herumklettert, aber auch hier gibt es sie.
Die UNESCO hat den “Uluṟu-Kata-Tjuṯa-Nationalpark” zum Weltkulturerbe ernannt – was dessen Schutz sicherlich gut tut. Der Park selber wurde an die Anangu 1985 zurückgegeben, wohl aber mit der Auflage, diesen für die nächsten 99 Jahre an „Parks Australia“ zu verpachten. Vielleicht ändert sich etwas, wenn diese Zeit vorüber ist?
Field of Light – ein Lichtermeer inmitten der Wüste
Die Kunstaktion „Field of Light“ von Bruce Munro, die während meinem Besuch stattfindet, steht anscheinend im Einklang zum Glauben der Anangu. Die bunten Lichter, die noch jeden Abend bis zum März 2017 hier am Fuß des Uluru angehen und sich wie ein buntes Blumenmeer über eine weite Fläche erstrecken, passen zum heiligen Berg sagen die Anangu. Tili Wiru Tjuta Nyakutjaku „auf viele wunderschöne Lichter schauen“ nennen sie das Kunstwerk dann auch.
Wir sehen uns die Installation nicht nur an, uns wurde „A Night at Field of Light“ gebucht, ein durchorganisierter Abend in der Wüste. Nach meinem Geschmack wird ein klein wenig zu viel Brimborium gemacht. Denn als wir uns zum Sonnenuntergang mit Sekt in der Hand aufstellen, Fotos machen und anstoßen kommt eine Tanzgruppe der Anangu hinzu. Ein bisschen peinlich sind mir solche Auftritte, ein bisschen zu viel des Guten. Vielleicht auch, weil ich nie die Chance habe, die Darbietenden nachher zu sprechen und zu fragen, warum sie das machen und wie viel davon echt ist. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur zu empfindlich.
Die Sonne taucht die Wüste mit ihrer letzten Kraft in ein unbeschreibliches Licht. Wir schlendern durch den roten Sand zum einem wirklich hervorragenden Dinner unter den Sternen.
Nun flackern die 50.000 Lichter der Installation auf und tauchen die Ebene unter uns in ein buntes Lichtermeer. Hinzu gesellt sich ein Sternenforscher, der uns den Nacht-Himmel ein wenig näher bringt. Schließlich, allerdings leider nur knappe 15 Minuten, machen wir uns auf und können in das Meer der bunten Lichter verschwinden.
Am Ende, denke ich, ist das Kunstwerk wirklich wunderschön. Es ist ein Spektakel, das man sich unbedingt ansehen wollte, wenn man während der Installation in Uluru ist. Aber selbst wenn die Lichter im Frühjahr 2017 abgebaut sind: die wirklich faszinierenden Farben gibt es im Northern Territory ganz kostenlos und jederzeit. In der Natur, an den heiligen Orten der Anangu.
MEHR INFORMATIONEN:
Etikette: Haltet euch an die Bitten den Anangu und respektiert ihre heiligen Städte. Besteigt also den Uluru zum Beispiel auf keinen Fall. Es wäre schön, wenn ihr euch Zeit nehmen könntet das Kulturzentrum zu besuchen – um mehr über die Anangu zu lernen.
Helicopter-Rundflug: Ich durfte die heiligen Stätten bei einer Sonnenaufgangstour mit „Ayers Rock Helicopters“ von oben anschauen, denn das ist durchaus erlaubt. Die Farbspiele sind wirklich einzigartig, die Ausblicke über die weite Landschaft und die beiden Inselberge sind majestätisch.
Übernachtung: Ich habe im „Sails in the Desert Hotel“ übernachtet. Mein Zimmer war großzügig und hatte einen Balkon mit Blick auf den Pool. In der Lobby befindet sich die Mulgara Gallery, die Kunst der Anangu ausstellt. Kleiner Abzug in der B-Note: Als Abschiedsgeschenk stellte man mir ein kleines bemaltes Holzdöschen hin, mit Aborigines Kunst. Auf dem Beipackzettel las ich dann aber: „Made in India“.
Anreise: Wir sind mit „Singapore Airlines“ nach Darwin geflogen und von dort auf eine kleine Northern Territory Tour gestartet. Uluru hat auch einen winzigen eigenen Airport, der von den größeren Flughäfen in Australien angeflogen wird. Der nächste Flughafen befindet sich in Alice Springs, ca. 340 Kilometer entfernt.
Weitere Informationen bekommt ihr bei Visit Northern Territory, die mich auf diese Reise eingeladen haben.
Gut das ich Euren Bericht noch rechtzeitig gesehen habe. Nachdem das Visum für Australien mittlerweile eingetroffen ist, dauert es nicht mehr lange, bis es losgeht. Jetzt heisst es nachschauen, ob und wie ich unsere Route ändern kann, um dieses Schauspiel mit zu erleben
Wow! Was für spektakuläre Bilder! Wir waren gerade in Australien, haben den Uluru aber aus Zeitgründen ausgelassen. Ich befürchte da haben wir wirklich was verpasst…
Schöne Grüße
Thomas
Danke für diesen tollen Bericht und die eindrucksvollen Fotos! Wir bekommen direkt Fernweh!